St. Pölten - Sie heißen Eli und Petimat, Madina, Abubakar und Zargan, tatsächlich könnten ihre Namen aber auch ganz anders lauten. Sie, das sind die Mitglieder einer Flüchtlingsfamilie in Österreich, Vater, Mutter, Tochter, Sohn und Schwägerin. Julya Rabinowich, Autorin, STANDARD-Kolumnistin und mehrere Jahre als Dolmetscherin für Asylwerber tätig, erzählt in ihrem am Landestheater Niederösterreich uraufgeführten Stück Tagfinsternis von ihren exemplarischen Schicksalen.

In einer Asylpension gilt es, mit unwürdiger Behandlung und Langeweile fertigzuwerden. Während die Erwachsenen (Michael Scherff, Marion Reiser und Katharina von Harsdorf) mit ihren Vorstellungen von Tradition und Verantwortung aneinandergeraten, sehnen sich die Kinder nach einem Leben wie dem ihrer österreichischen Mitschüler. Als Eli von der Festnahme seines in der alten Heimat verbliebenen Bruders erfährt, steht der als Staatsfeind gesuchte Familienvater vor der Wahl, sein eigenes Leben mit einer Rückkehr aufs Spiel zu setzen oder den Bruder zu opfern.

Aus einer zunächst episch angelegten Tragödie in fünf Akten konnte Rabinowich einen intensiven Einstünder destillieren. Diesen hat Regisseur Markus Schleinzer mit guten Darstellern sowie mit Katrin Huber und Gerhard Dohr, die bereits für das Szenenbild seines Spielfilms Michael bei der Diagonale ausgezeichnet wurden, in starke Bilder gesetzt. Gespannte Schnüre lassen die Bühne gleichermaßen als umzäuntes Lager oder als Boxring erscheinen. Mit dem Fortschreiten der Handlung geht Tochter Madina daran, mehr und mehr Fäden um das Geschehen zu spinnen, bis alle scheinbar heillos in ihren Lebensumständen verstrickt sind.

Ein Ausweg ist möglich, aber keineswegs sicher. Und selbst wenn die Geschichte ein glückliches Ende nehmen sollte, so gibt es noch viele andere Familien, die, dem Heimatland entflohen, mit ihren persönlichen Tragödien fertig werden müssen. (Dorian Waller, DER STANDARD, 20.1.2014)