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Rund um den Neusiedler See sucht man das kommunale Heil in politischer Autonomie und ökonomischer Kooperation. Rund um den Erzberg gilt das als bloß halbe Sache.

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Eisenstadt/Graz - Im Burgenland wird es weiterhin 171 Gemeinden geben. Die aber sollen künftig deutlich sparsamer wirtschaften. VP-Landeshauptmannvize und Gemeindereferent Franz Steindl hat mit dem EU-Projekt "Gemeindenetzwerke im Nordburgenland" eine Initiative gestartet, in der einschlägige Best-Practice-Modelle erarbeitet werden sollen.

Im Nordburgenland deshalb, sagt Projektleiter Werner Falb-Meixner, einst VP-Landwirtschaftslandesrat, weil hier die größeren Einheiten sind. Im Landessüden, wo die Fusionierungen der 70er-Jahre Gemeinden mit zahlreichen Ortsteilen geschaffen haben, "gibt es ein Spiegelprojekt".

Das Einsparungspotenzial sei jedenfalls da wie dort beträchtlich. Falb-Meixner schätzt es auf rund elf Millionen Euro. Das wären - wie auch in der Steiermark durch die Fusionierungen angestrebt - etwa zwei Prozent der kumulierten Gemeindebudgets. Die Burgenländer würden die "politischen Kosten" - die Aufwendungen für die kommunale Autonomie - allerdings herausrechnen, nur die "realistische Manövriermasse" in Betracht ziehen, "das sind rund 260 Millionen Euro, davon wollen wir etwas über vier Prozent einsparen".

Besonders vielversprechend seien gemeinsame Infrastrukturausschreibungen. Allein die beiden Projektgemeinden Leithaprodersdorf und Wimpassing könnten sich so in den nächsten drei Jahren je 73.000 Euro ersparen.

Solche Ausschreibungskooperationen können umstandslos umgesetzt werden. In anderen Bereichen sind Gesetzesänderungen nötig. Bei einem gemeinsamen Fuhrpark etwa müssen die Gemeinden einander Rechnungen mit Umsatzsteuer stellen. "Da wird", meint Falb-Meixner, "die Suppe teurer als das Fleisch."

Franz Steindl strebt deshalb eine Totalreform der Gemeindeordnung an. Im Zuge der Verhandlungen zu einer Reform der Landesverfassung soll deshalb auch über die Kommunen geredet werden. Mit Regierungspartner SPÖ gebe es da "ein grundsätzliches Einvernehmen".

Außer Streit steht, dass die kommunale Autonomie bleibt. "Die Einsparungsmöglichkeiten bei Gemeinderäten und Bürgermeistern sind Kinkerlitzchen." Vor allem im Vergleich mit den politischen Verwerfungen beim Nachbarn. "Wir entwickeln da bewusst ein Gegenmodell zur Steiermark. Bei uns gibt es einen hohen Anteil an Friedenskosten."

Steirischer Ansatz

Gemeindekooperationen waren freilich auch in der Steiermark lange Zeit Thema - ehe die SP-VP-"Reformpartnerschaft" auf "Fusionskurs" ging und sich zu einer radikalen Durchsetzung von Gemeindezusammenlegungen entschloss. Dies gegen den Widerstand zahlreicher Gemeinden, die lieber den jetzigen burgenländischen Weg weitergegangen wären.

Gemeindekooperationen hatten in der Steiermark schon einige Tradition. 2006 hatte man mit der Initiative "Regionext" Gemeindekooperationen sogar als Alternative zu Gemeindezusammenlegungen, die Landeshauptmann Franz Voves (SP) und sein Vize Hermann Schützenhöfer (VP) damals ablehnten, propagiert und gefördert. Mit dem Argument, Kooperationen könnten die Abwanderung aus den Kleingemeinden stoppen. Zu diesem Zeitpunkt existierten bereits an die 40 Kooperationen, in denen Gemeinden im Verwaltungsbereich, beim Einkauf oder bei Rechtsvertretungen eng zusammenarbeiteten. In einigen Gemeinden wurde sogar die Verwaltung von vier Ortschaften in einer Kommune zentral koordiniert. Dieses Modell sollte weiter ausgebaut werden, keine Gemeinde aber zu Kooperationen gezwungen werden.

Nunmehr ist alles ganz anders. Voves und Schützenhöfer gründeten nach der Wahl 2010 ihre "Reformpartnerschaft" und setzten sich das Ziel einer grundlegenden Reform der Gemeindestruktur. Ab diesem Zeitpunkt lehnten sie die von vielen Gemeinden geforderte Weiterführung von Kooperationen als "halbe Lösung" strikt ab. Statt 539 Gemeinden solle es in Zukunft nur noch 288 geben. Den entsprechenden Beschluss fassten SP und VP vor einem Monat im Landtag. In 103 Gemeinden hatte die Bevölkerung zuvor über verordnete Fusionen abgestimmt, nur 14 votierten dafür. Die Gemeindeinitiative, die aus der Protestbewegung gegen Zwangsfusionen entstanden ist, will in dutzenden Fällen nun gegen die Zwangsfusionen beim Höchstgericht klagen. (Walter Müller, Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 20.1.2014)