US-Präsident Barack Obama ist bei der Verkündung seiner Reformpläne für die Abhörpraktiken der National Security Agency weiter gegangen, als es im Vorfeld erwartet worden war. Offenbar hat in den intensiven Diskussionen der vergangenen Tage der Verfassungsjurist im Weißen Haus über den Oberkommandierenden die Oberhand gewonnen. Mit seinen Reformen will der Präsident vor allem die rechtlichen Grauzonen der derzeitigen Praxis insbesondere beim Sammeln von Telefondaten beseitigen: Was immer die NSA in Zukunft tut, muss von Gerichten bewilligt werden.

Damit kommt Obama zwar manchen seiner innenpolitischen Kritiker entgegen, die eine Unterwanderung der Rechtsstaatlichkeit und den Abbau grundlegender Bürgerrechte fürchten. Auch die peinlichen Lauschangriffe auf verbündete ausländische Politiker wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dürften in Zukunft unterbleiben.

Aber jenen Teil der - vor allem europäischen - Öffentlichkeit, der in der weltweiten Schnüffelpolitik der USA einen massiven Verstoß gegen demokratische Grundwerte sieht, werden diese Ankündigungen nicht zum Schweigen bringen. Das war auch nicht zu erwarten: Kein amerikanischer Präsident könnte die Spionagetätigkeiten seiner Geheimdienste so weit einschränken, dass Amerika nicht mehr in vielen Kommentaren und Foren als das "Reich des Bösen" dasteht - nicht in einer Zeit, in der die USA eine Zielscheibe des Terrorismus bleiben und die Technologien, die die NSA-Abhörmanie überhaupt erst ermöglicht haben, nicht wieder weggezaubert werden können. Dass die USA sich außerhalb ihrer Grenzen kaum an Verbote gebunden fühlen, ist zwar eine bedauerliche, aber kaum überraschende Haltung einer Supermacht.

Dass Obama bei einigen Vorschlägen seiner Experten zögert, hat auch praktische Gründe: Manche Maßnahmen werden von den Telekomgesellschaften vehement abgelehnt. Andere wären im Kongress chancenlos. Innenpolitisch betrachtet lehnt sich Obama schon recht weit hinaus.

Obamas Rede ist auch ein Beitrag dazu, die Bespitzelungspolitik der NSA aus dem dunklen Schatten des Sicherheitsstaates ein wenig ins Licht zu führen. An dieser öffentlichen Debatte sollte auch jener Mann teilnehmen können, der den Anstoß für diese Reformen gegeben hat. Freies Geleit und Gnade für Edward Snowden, wie sie auch die New York Times fordert, wären der nächste logische Schritt. (Eric Frey, DER STANDARD, 18.1.2014)