Leoben - Ohne Urteil ist am Freitagnachmittag im Landesgericht Leoben der Prozess gegen eine 15-Jährige beendet worden. Die Einzelrichterin fühlte sich nicht zuständig, da ihrer Meinung nach der Verdacht in Richtung Mordversuch geht. Angeklagt war aber absichtliche schwere Körperverletzung. Weder Staatsanwalt noch Verteidigung gaben eine Erklärung ab, das Verfahren muss erneut aufgerollt werden.

Das Mädchen hatte im Mai 2013 im Alter von 14 Jahren einen Mitschüler durch einen Messerstich in den Bauch schwer verletzt. Die Beschuldigte wollte am Freitag gar nicht aussagen, bisher hatte sie von Notwehr gesprochen.

Beim Prozessauftakt im Dezember hatte die 15-Jährige erklärt, sie fühle sich nicht schuldig. Es habe ständig Streit mit einem Mitschüler gegeben, was zu äußerst derben Auseinandersetzungen auf Facebook und anderen Plattformen geführt hat. Als es der Schülerin zu viel wurde, stach sie mit einem Jausenmesser zu und traf den Burschen im Bauchbereich. Er wurde schwer verletzt, erholte sich aber rasch.

Psychiaterin als Vorsorge

Der erste Verhandlungstag musste wegen eines Weinkrampfes des Mädchens abgebrochen werden, diesmal hatte Richterin Sabine Anzenberger vorsorglich eine Psychiaterin an ihrer Seite. Doch mit der Aussage wurde es wieder nichts, denn "sie fühlt sich nicht in der Lage, irgendetwas Konstruktives vorfallsbedingt beizutragen", erklärte der Verteidiger. Die "Drucksituation" sei zu groß und könnte die Erinnerung beeinträchtigen, so der Anwalt.

Doch die Richterin wollte trotzdem wissen, ob die Beschuldigte, die jetzt in einer betreuten Jugend-WG lebt, regelmäßig in die Schule gehe. "So halb", kam die Antwort. Da konfrontierte sie die Vorsitzende mit einem Bericht der Jugendwohlfahrt, der wenig Gutes über die 15-Jährige enthielt.

Dort hieß es nämlich "alle Möglichkeiten außer einer Auslandsunterbringung sind ausgeschöpft", das Mädchen sei nach wie vor aggressiv - wie auch Facebook-Einträge aus jüngster Zeit bewiesen - lasse sich von niemandem etwas sagen und sei immer wieder abgängig. "Wissen Sie, wie so ein Auslandsaufenthalt abläuft? Da kommen Sie in die Wüste oder auf ein Schiff und müssen soziales Verhalten lernen", malte die Richterin der weinenden Angeklagten ihre Zukunft in deutlichen Farben aus.

"Was ist sie für ein Mensch?"

Die Zeugenaussagen, die teilweise unter Ausschluss getätigt wurden, warfen kein gutes Licht auf die Angeklagte. Ein ehemaliger Mitschüler gab an, die 15-Jährige habe zuerst das spätere Opfer provoziert, um dann plötzlich ein Messer aus dem Ärmel zu ziehen und zuzustechen.

Der Zeuge erzählte er habe zumindest gehört, dass die Beschuldigte schon zuvor einen Schüler ziemlich heftig gewürgt haben soll. "Was ist sie für ein Mensch?", wollte Richterin Sabine Anzenberger wissen. "Keine Ahnung, ich hab' keinen Kontakt zu ihr gehabt", so der Schüler. "Warum nicht?", fragte die Richterin. "Ich wollte das nicht", antwortete der 15-jährige Bursche.

Er beschrieb, dass das Mädchen einem Mitschüler, mit dem sie schon länger Streit gehabt hatte, plötzlich "das Kapperl vom Kopf g'schossen" hat. Als der Schüler nach ihr trat und sie in den Schwitzkasten nahm, soll sie das Messer aus dem Ärmel gezogen und zugestochen haben. "Er ist am Boden gelegen, erst nach ein paar Minuten ist Blut rausgekommen", schilderte der Zeuge. "Und was hat sie gemacht?", interessierte die Richterin. "Sie hat gezittert."

Eine weitere ehemalige Mitschülerin gab an, sie würde sich vor der Angeklagten fürchten, wollte aber nicht sagen, warum. Zum Teil wurde die Öffentlichkeit bei den Aussagen ausgeschlossen.

Der Terminfahrplan für den neuen Prozess steht noch nicht fest. (APA/red, derStandard.at, 17.1.2014)