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Die ehemalige Justizministerin und EU-Kandidatin Beatrix Karl, der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer und der EU-Spitzenkandidat Othmar Karas bei der Abgeordnetenkonferenz.

Foto: apa/Scheriau

St. Kathrein am Offenegg - Man könne Michael Spindelegger einfach "nicht mehr vertrauen, weil er schon zu oft wortbrüchig" geworden sei, meint ein hoher ÖVP-Funktionär, "er lügt" oder habe "ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Bei der 9. Abgeordnetenkonferenz der steirischen ÖVP in St. Kathrein am Offenegg machten am Donnerstagabend viele Funktionäre ihrem Ärger über die Bundesregierung, insbesondere ihren Parteichef, hinter vorgehaltener Hand Luft.

Karl als "Bauernopfer"

Neben inhaltlicher Kritik etwa in Sachen Schulreformen, wie sie - DER STANDARD berichtete - Bildungslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder formulierte, liegt für die steirischen Schwarzen der Hund deutlich im emotionalen Bereich begraben. Spindelegger habe "keine Handschlagqualität" und gehe mitunter unmöglich mit seinen Gefolgsleuten um. Die ebenfalls wie Othmar Karas in St. Kathrein anwesende Ex-Ministerin und EU-Kandidatin Beatrix Karl sei etwa so ein "Bauernopfer" gewesen, sagt einer ihrer Parteifreunde: Sie sei in die Justiz, also ein Ressort verschoben worden, "das sie gar nie wollte, und dann auch noch zum Abschuss freigegeben". So lautet wenigstens die steirische Version der Demontage Karls.

"Ich gebe Spindelegger noch maximal sechs Monate", sagt ein weiterer ÖVP-Politiker nach dem Abendessen bei einem Glas Muskateller, während Umweltlandesrat Johann Seitinger eine Volksmusikgruppe an der Teufelsgeige unterstützt, "die Betonung liegt auf maximal". Und das auch nur, weil derzeit kein anderer den Job machen wolle.

Eine besonders undankbare Aufgabe kommt derzeit ÖVP-Parlamentsklubobmann Reinhold Lopatka zu, der als Steirer zwischen Land und Bund die Gemüter zu besänftigen versuchte und erst am Freitag zur Konferenz hinzustieß: "Der hat's wirklich nicht leicht", bedauert ein steirischer Parteifreund.

Kein Frieden mit Mutterpartei

Die Steirer versuchen nicht einmal mehr den Anschein des Friedens mit ihrer Mutterpartei in Wien zu wahren. In der Landespartei selbst herrscht bei dieser Konferenz, die seit 2006 jährlich von Landesparteichef Hermann Schützenhöfer im "steirischen Alpbach", wie man das entlegene St. Kathrein in der Partei nennt, abgehalten wurde, ausgelassene Aufbruchstimmung.

2006 lag die Partei nach einer an Franz Voves (SPÖ) verlorenen Wahl auf dem Boden und klaubte hier im oststeirischen Almenland ihre Scherben zusammen. 2014 sorgt unter anderem ein internes Referat von Meinungsforscher Peter Ulram am Donnerstag für gute Stimmung. Dieser will bei der Befragung von 500 Steirern erfahren haben, dass zwei Drittel für eine Fortsetzung des Reformkurses der Koalition von Voves und Schützenhöfer seien. Trotz der umstrittenen Gemeinde- und Bezirksfusionen und der Beibehaltung des Pflegeregresses. Überraschend dabei: Die ÖVP soll sogar stärker von dieser Politik profitieren als die SPÖ, obwohl die Schwarzen bei weitaus mehr Bürgermeistern Überzeugungsarbeit in Sachen Gemeindefusionen leisten müssen.

Zustimmung zu Budget

Etwas milder fiel die Rede Schützenhöfers am Freitagvormittag aus, in der er die steirischen ÖVP-Parlamentarier zur Raison in Sachen Budgetbeschluss rief; man werde dem Budget zustimmen. Nationalratsabgeordneter Werner Amon hatte gedroht, diesen wegen der Med-Uni Linz zu boykottieren. Schützenhöfer betonte allerdings auch, dass er davon ausgehe, dass man die Kritik der steirischen Parteifreunde in Wien gehört habe und darauf reagieren werde.

Voves näher als Spindelegger

Christopher Drexler, Klubchef der Landes-ÖVP und traditionell der Mann für die härtere Kritik, betonte in seiner Rede, dass man sich aber das Budgetbegleitgesetz "diesmal ganz genau anschauen wird und sicher keinen Nachteil für den Wissenschaftsstandort Graz akzeptieren wird". Der Klubobmann kritisierte den Kurs der Koalition im Bund und stellte jenen der steirischen "Reformpartner" als positives Gegenstück dazu dar: "Wir können uns als Best-Practice-Beispiel fühlen", so Drexler zur Steiermark, während er der Bunderegierung attestiert: "Hier wird nicht effizient gearbeitet, hier werden nur einfache Lösungen präsentiert." Österreich habe Besseres verdient. Und: "Michael Spindelegger steht für Enge, Hermann Schützenhöfer für Breite." Am Vorabend meinte Drexler sogar, Landeshauptmann Voves stehe der steirischen ÖVP "fallweise näher als Michael Spindelegger".

Überholen will man Voves dennoch: Ziel für die Landtagswahl 2015 ist es, natürlich wieder Erster zu werden. Dem neuen Geschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg obliegt nun die Aufgabe, vom rot-schwarzen Kuschelkurs langsam in den Wahlkampfmodus umzuschalten. Dass jemand anderer als der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl dabei Schützenhöfers Nachfolger sein könnte, ist für die meisten Beobachter derzeit undenkbar. (Colette M. Schmidt, derStandard.at, 17.1.2014)