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Ein Besuch beim AMS für Jugendliche in Wien zeigt ein heterogenes Stimmungsbild.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Eryk vermeidet den Blickkontakt. Als der 17-Jährige das AMS für Jugendliche in Wien betritt, hält er den Kopf gesenkt. Er ist einer der 10.000 Jugendlichen, die weder eine Schule besuchen noch in Beschäftigung sind. Im gelbgestrichenen Empfangsbereich am Gumpendorfer Gürtel herrscht Mittwochmorgen bereits reger Betrieb. Manche sind das erste Mal hier, um nach einer Lehrstelle zu suchen, und füllen konzentriert Formulare aus. Andere Jugendliche wiederum sind bereits registriert, haben aber noch keine Lehrstelle gefunden und hoffen, bei diesem Besuch endlich Aussicht auf Beschäftigung zu erhalten. Eryk hat nach der Pflichtschule eine Lehre in einer überbetrieblichen Lehrstätte begonnen, wurde nach einem Jahr aber gekündigt. Seit drei Monaten ist er nun auf Arbeitssuche. Von den "15 bis 20" Bewerbungen hat er keine Rückmeldung erhalten, wurde zu keinem Vorstellungsgespräch eingeladen. Auf die Frage, wie intensiv er nach Arbeit suche, sagt er enttäuscht, er bewerbe sich schon "ein paarmal", doch Lehrstellen für Installateure gebe es in Wien im Moment nun einmal keine. Sollte er noch länger arbeitslos sein, will er in einem anderen Bereich tätig werden und nach Alternativen suchen.

Das Dilemma mit der Ausbildungspflicht

Die Geschichte von Eryk zeigt ein Dilemma auf, in dem viele Jugendliche stecken. Sie suchen zwar nach Arbeit, doch so einfach ist es nicht, eine Lehrstelle auf dem regulären Arbeitsmarkt zu finden. Vor allem in bestimmten Bereichen ist es schwierig, Fuß zu fassen. Patrick, der alle zwei Wochen beim AMS erscheint, möchte Tischler werden und hatte innerhalb eines Jahres etwa 20 Bewerbungsgespräche. Gescheitert sei es immer an seinem schlechten Zeugnis, sagt er konsterniert. Im Februar könne er nun in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte mit einer Tischlerlehre beginnen, sagt er und lächelt seinem Freund dabei zu. Auch der 16-jährige Alex beginnt im September mit einer Maurerlehre in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte, nachdem die Lehrstellensuche auf dem regulären Arbeitsmarkt insgesamt "eher bescheiden" verlief.

Ab September 2016 sollen nun Erziehungsberechtige für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung sind, eine Verwaltungsstrafe von 440 Euro entrichten. Davon haben die meisten noch nichts gehört. Lukas fände es aber ungerecht, wenn seine Eltern zahlen müssten, da er ja Arbeit suchen würde. Das wäre aber nun einmal nicht so leicht, sagt der 16-Jährige. Er hat nach seinem Hauptschulabschluss eine Lehre begonnen, diese aber aus mangelndem Interesse nach einem Jahr wieder abgebrochen. Kurz darauf wurde ihm eine Lehre als Installateur angeboten, doch nach zwei Tagen Probezeit hätten sie ihn "hinausgeschmissen", sagt Lukas. Das wäre aber seine Schuld gewesen, denn er habe "immer verschlafen". Ein halbes Jahr war er in Niederösterreich auf Arbeitssuche, nun sucht er in Wien weiter. Bisher hatte er aber noch kein einziges Bewerbungsgespräch. In eine überbetriebliche Lehrwerkstätte will er nicht. Das ist für ihn "Blödsinn". Man würde ständig herumgeschickt werden, sagt er. Außerdem betrage der Ausbildungsbeitrag in den ersten beiden Lehrjahren nur 270 Euro, was der Höhe des AMS-Geldes entspreche, so Lukas. In diesem konkreten Fall könnte es gut sein, wenn Jugendliche durch die Ausbildungspflicht und die angedrohte Sanktion ein Signal bekommen, das ihnen vermittelt, wie wichtig eine Grundausbildung ist, auch wenn sie noch nicht das große Geld bringt.

Eine Suche ohne Ziel

Manchen scheint nicht bewusst zu sein, welche Folgen eine längere Arbeitslosigkeit für sie haben könnte, andere wiederum wirken auf die Frage nach der Arbeitssuche peinlich berührt. Eines fällt ganz besonders auf: Viele Jugendliche wissen nicht, wo ihre Stärken liegen, sie suchen zwar nach Arbeit, scheinen dabei aber oft ziellos. Sie empfinden es nicht als ihre Schuld, dass sie keine Lehrstelle finden, und betonen, dass sie etwas machen wollen, was ihnen Spaß macht. So etwa Esma. Sie ist bereits 20, hat Handelsschule und Maturaschule abgebrochen und danach sofort begonnen, nach einer Lehrstelle zu suchen. Heutzutage sei das aber sehr schwierig. "Ich fühle mich überfordert", sagt Esma und wirkt bedrückt. Etwa 50 Bewerbungsgespräche hat sie hinter sich. Laut Esma scheitern viele daran, dass sie nicht wissen, für welchen Beruf sie sich entscheiden sollen. Auch wenn es sie nicht mehr betreffen würde, eine Verwaltungsstrafe von 400 Euro empfindet auch sie als "ungerecht".

"Wenn man Arbeit haben möchte, dann kriegt man sie auch", meint ein anderer Jugendlicher, der namentlich nicht genannt werden möchte. Auf die Frage, weshalb er selbst noch keine Arbeit habe, schmunzelt er. "Manchmal bin ich vielleicht ein wenig zu faul zum Suchen. Arbeiten würde ich aber gerne." Bei den Bewerbungsgesprächen sei der Andrang sehr groß, was es schwieriger mache, sich durchzusetzen. (Elisabeth Kleinlercher, derStandard.at, 16.1.2014)