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Glaubt man den Experten, so ist die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich die weltweit größte Bedrohung.

Foto: Reuters/Vera

Was die Welt am meisten bedroht, dieser Frage geht jedes Jahr eine Arbeitsgruppe im Auftrag des Weltwirtschaftsforums nach. Sie befragt rund tausend Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und sozialen Organisationen und sammelt die Ergebnisse im "Global Risks Report". In einer Vorschau auf die kommenden zehn Jahre beleuchtet der Bericht 31 Risiken von weltweiter Bedeutung, die im Eintrittsfall über ganze Länder und Industriezweige hinweg erheblichen ökonomischen Schaden anrichten könnten.

Schenkt man dem neuesten Bericht Glauben, sieht die Welt im Jahr 2014 wenig erfreulich aus. Das größte Problem sehen die befragten Experten - so wie schon im vergangenen Jahr - im chronischen Einkommensgefälle zwischen Arm und Reich. Dieses verfüge über das größte Potenzial, im kommenden Jahrzehnt weltweit schwerwiegenden Schaden zu verursachen. Weiteres Gefahrenpotenzial sehen die Befragten in extremen Wetterereignissen. Sie weisen nach dem Einkommensgefälle die zweithöchste Wahrscheinlichkeit auf, weltweit systemische Erschütterungen zu verursachen. Dahinter folgen die Risiken Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, Klimawandel und Cyber-Attacken.

Haushaltskrisen als Bedrohung für Länder und Systeme

Staatshaushaltskrisen stehen unter den weltweiten Risiken, die in den kommenden zehn Jahren nach Expertenmeinung die größte Bedrohung für Systeme und Länder darstellen, an der Spitze. Gefolgt von Umweltkrisen, Klimawandel und Wasserkrisen, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung und dem technologischen Risiko eines Zusammenbruchs der grundlegenden Informationsinfrastruktur.

"Jedes im vorliegenden Bericht beleuchtete Risiko birgt das Potenzial, ein weltweites Versagen zu verursachen. Die eigentliche Gefahr steckt aber im Umstand, dass diese Risiken miteinander verknüpft sind und dadurch eine gesteigerte Wirkung entfalten können", erklärt Jennifer Blanke, Chefökonomin des World Economic Forum. "Eine enge Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Interessengruppen ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir uns wirksam mit der Existenz dieser Risiken auseinandersetzen und an sie anpassen wollen."

Besonderes Augenmerk legt der Bericht auf die doppelte Herausforderung der verminderten Beschäftigungschancen bei gleichzeitig steigenden Bildungskosten für jene Menschen, die im aktuellen Jahrzehnt volljährig werden. In bestimmten Industriestaaten ist mehr als die Hälfte der jungen Menschen auf Arbeitssuche. Die informelle Beschäftigung in Entwicklungsregionen, wo 90 Prozent der jungen Menschen dieser Welt leben, nimmt zu.

Gewaltige Umbrüche

Insgesamt drohen der Studie zufolge aktuelle Entwicklungen Fortschritte in kritischen Branchen wie Finanzen, Gesundheit und Energie zu hemmen. Banken ziehen sich aus Märkten zurück und verlagern Summen in Billionenhöhe, um nationalen Gesetzgebungen zu entgehen. Diese grenzen Kapital ein, anstatt durch vereinfachte Finanzierung einen globalen wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen. Healthcare-Systeme knicken unter den sprunghaft steigenden Kosten ein.

Auch im Energiesektor liegt nach Meinung der Experten einiges im Argen, herrsche doch Unsicherheit bei Investoren infolge der Erschließung unkonventioneller Gasvorhaben. Langjährige Annahmen und Preisdynamiken wie die preissetzende Rolle der OPEC würden umgeworfen – und dies in einer Zeit, in der Investitionen von fast 27 Billionen US-Dollar erforderlich seien, um allein den weltweiten Elektrizitätsbedarf abzudecken.

John Drzik, Vorsitzender von Global Risk and Specialties bei Marsh, rief in einer Pressekonferenz in London zu einer stärker koordinierten Governance und kreativeren Public-private-Partnerships auf. Ziel sei es, zu vermeiden, dass sich latente Systemrisiken schleichend zu ausgewachsenen Krisen entwickeln. (red, derStandard.at, 16.1.2013)