Foto: Night School Records

Die Geschichte der populären Musik wäre ohne den Bereich der Weltraumforschung um einiges ärmer. Einen nicht unwesentlichen, wenn auch bis dato weitgehend unbekannten Beitrag dazu leistet die US-Künstlerin Susan Dietrich Schneider alias The Space Lady. Geboren 1948 in Colorado, zog es sie nach einem Universitätsstudium in den späten 1960er-Jahren nach San Francisco. Dort lernte sie ihren späteren Mann Joel kennen, der bis zu seinem Tod im Vorjahr immer wieder Songs für sie schrieb.

Um seiner Einberufung und damit dem Vietnamkrieg zu entgehen, beschloss das Paar damals auch alle Brücken hinter sich niederzureißen. Es zerstörte seine ID-Cards und beendete die bürgerliche Existenz. Das Paar zog sich in die kalifornischen Berge in eine Höhle zurück, wo drei gemeinsame Kinder aufgezogen wurden. Als Einnahmequelle verdingte sich Schneider in San Francisco und zwischendurch auch in Boston als Straßenmusikerin mit Akkordeon und Wikingerhelm aus der Spielzeugabteilung. Der sollte sie vor schädlichen kosmischen Strahlungen und schädlichen Umwelteinflüssen schützen. Etwaige Spekulationen über Experimente mit bewusstseinserweiterten Substanzen sind an dieser Stelle gern erlaubt.

Der Kosmos schwingt O Schneider hatte sich zuvor aufgrund einer schweren Erkrankung im Alter von 20 Jahren einer Operation unterziehen müssen. Während der Vollnarkose wurde ihr spiritueller Körper von Aliens in deren Raumschiff entführt. Sie unternahm nicht nur eine geführte Tour durch das Sonnensystem, sondern wurde von den Außerirdischen auch in die Geheimnisse des Lebens eingeführt und mit Antworten beschenkt, deren Fragen sie sich vorher gar nicht zu stellen wagte. Leider wurde Schneider anschließend wieder in ihren biologischen Festkörper auf die Erde zurückgebracht. Alle während ihrer Reise erfahrenen Antworten und Erkenntnisse verräumten die Aliens wahrscheinlich zum Schutz Schneiders ins Reich ihres Unterbewusstseins.

Seit dieser Zeit beschäftigt sich Schneider jedenfalls als The Space Lady mit den unendlichen Weiten draußen jenseits der Felix-Baumgartner-Höhe. Nachdem sie später auf offener Straße ausgeraubt worden war und ihres Akkordeons verlustig ging, kaufte sich The Space Lady aus finanzieller Not ein billiges japanisches Alleinunterhalter-Keyboard. Mit diesem entstehen, unterbrochen von einer zwölfjährigen Pause zwischen 2000 und 2012, in der sie nach ihrer Scheidung als Krankenpflegerin arbeitete, wunderbar naive, anrührende, zu Herzen gehende Lieder. Sie künden von allumfassender Liebe und Harmonie und der Weite da draußen, die auch unsere Seelen erfassen soll.

The Space Lady tuckert mit pochendem Rhythmusprogramm und verhallten käsigen Keyboardsounds durch einschlägige Klassiker wie Fly Like An Eagle der Steve Miller Band, das gute alte Born To Be Wild oder Ghost Riders In The Sky. Sie singt mit brüchiger, schüchterner Kopfstimme Ballroom Blitz von The Sweet oder Radar Love von Golden Earring, Puttin' On The Ritz oder das programmatische I Had Too Much To Dream (Last Night) der Virgin Prunes.

Auch ein Klassiker der Neuen Deutschen Welle ist nun auf der Kompilation Greatest Hits zu hören. Der auf David Bowies Space Oddity Bezug nehmende Schlager Major Tom von Peter Schilling aus den 1980er-Jahren in englischer Version. Lange gesuchte Perlen der Popmusik an den Grenzen zum Obskuren, interpretiert von einer sympathischen Spinnerin, die heuer erstmals auch in Europa gastieren wird. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 17.1.2014)