Ganz neue Wege gehen für einen Teilaspekt der Mobilität der Zukunft: Dieses Versprechen hat BMW gehalten. Der i3 ist schon durch seine Karosserie (Alu und Kohlenstofffaser) revolutionär. Vor allem aber entfacht er einen Hype, der der Elektromobilität erstmals richtig Schwung verleiht.

Unterwegs auf der Wiener Höhenstraße. Tag weicht Nacht, die Milchstraße prangt am lichtsmogreduzierten Firmament, und in der stillen Wienerwald-Wintereinsamkeitsidylle blinkt irgendwo im Hinterhaupt ein rotes Alarmsignal. Was, wie? Der Blick auf die Instrumententafel zeigt: Der Kilometerstand sinkt schneller als die Temperatur, hoppla, gleich ist die Batterie alle, wo krieg' ich hier bloß eine Steckdose her, gar nicht gut – und dann bin ich aufgewacht.

Foto: BMW

Die Elektromobilität weckt gewisse existenzielle Urängste, das liegt an der Reichweite, und selbst wenn obiger Traum bloß eine rhetorische Figur ist: Auch beim i3, dem angehenden Superstar des jungen E-Mobilitätszeitalters, bleibt das ein Kernproblem. Wobei, dies als erste echte Überraschung: Die 130 bis 160 vom Hersteller angegebenen Kilometer Mindestreichweite im Komfortbetrieb sind die ehrlichsten bisher in ei­nem E-Auto erlebten. Kommt man winters mit manchem Konkurrenten, der angeblich 200 km schaffen soll, auf tatsächliche 70, 80, 90, so ergaben sich auf mehrfa­chen Gegencheck beim i3 Werte um die 100 bis 120 km. Wie gesagt, in kalter Jahreszeit, bei Heizung auf flauschigen 22 Grad.

Foto: Andreas Stockinger

100, 120 km klingt nicht nach großartig viel, ist es auch nicht, aber man kann wenigstens vernünftig kalkulieren. Das ist der eine Punkt. Der andere lautet: Den i3 gibt es auch mit Range-Extender, BMW-intern T-Rex genannt. Ein putziger 2-Zylinder mit 650 cm3 und 34 PS, der vor Panikszenarien bewahrt und einen 240 bis 300 km weit – ehrliche über 200 km vermutlich – und somit todsicher zur nächsten Do­se bringt (das wäre, wenn, unsere i3-Wahl und ist es auch bei 20 Prozent aller heimischen Käufer).

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"Dose" ist ein unstatthaftes Stichwort, geht es um die i3-Konzeption. Prinzipiell gibt's bei E-Mobilen zwei Strategien:

1.) Ein Auto kostruktiv auf mehrere Antriebsszenarien auslegen (der VW e-up! ist ein jüngstes Exempel).

2.) Ein Auto spezifisch für diese Antriebsart entwickeln (Nissan Leaf etwa). BMW hat sich für diese Variante entschieden, und das gleich richtig radikal.

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Die Fahrgastzelle, aufgesetzt auf ein Alu-Fundament, besteht erstmals in Großserie aus karbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Sollte die Rechnung mit der E-Mobilität nicht aufgehen, hat BMW trotzdem gewonnen, durch das erarbeitete CFK-Know-how. Der bisher sündteure Leichtbauwerkstoff lässt sich (so ist es wohl auch geplant) irgendwann auch für mehr oder weniger konventionell angetriebene andere BMWs verwenden. Momentan allerdings sieht alles danach aus, als würde der i3 ein durchschlagender Erfolg. Wer weiß, vielleicht gelingt den Bayern mit der "i"-Schiene ein ähnliches Kunststück wie mit Mini, nämlich überteuerte Autos mit extrem hohem Begehrlichkeitswert zu fabrizieren.

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Obwohl, der Preis wirkt für BMW-Verhältnisse erstaunlich moderat, und damit zur ersten Resonanz. Objektiv lässt sich ei­ne enorme Nachfrage konstatieren, subjektiv kann man ergänzen: selten so oft aufgehalten worden. Von Polizei ("Aha, Sie wollen sich nur das Auto ansehen") über Passanten, die einen in Gespräche verwickeln, bis hin zu Dam- und Herrschaften, die an der Ampel rasch ihr Smartphone zücken und ein paar Fotos machen. Der i3 sieht, bei aller Divergenz der Geschmäcker, in freier Wildbahn richtig gut aus – und dabei so unkonventionell-futuristisch, dass man ihn des Neuartigen sogleich verdächtigt.

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Auch innen setzt BMW auf Nachhaltigkeit. Manches wirkt wie inspiriert vom alten Slogan „Jute statt Plastik", dazu gibt's Leder und hübsches helles naturbelassenes Gehölz. Und ganz vorne, Richtung Windschutzscheibe, noch eine kleine Hommage an Beuys: sieht ja aus wie Filz, voll fett! Ist es natürlich nicht, aber der Tester hat gaudihalber den alten, vom Opa ererbten Filzhut beim Parken dort vorn hindrapiert. i3, ein Auto für Fahrer mit Avantgarde-Hut.

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Ein Wort zum Raumgefühl: richtig großzügig. Man glaubt kaum, in einem Viermeterauto zu sitzen. Dazu gibt's etliche Ablagen. Auch die Platzverhältnisse hinten sind okay, allerdings könnte das extravagante Türkonzept (gegenläufig öffnende Türen, die hinteren übernehmen auch die Funktion der B-Säule) ein Sicherheitsrisiko bergen. Denn die hintere "Einstiegshilfe" lässt sich nur öffnen, wenn die vordere Pforte schon offen steht. Frage an BMW: Was passiert, wenn im Unfall-Fall die Vordertür klemmt?

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Fahreindrücke. Der i3 zieht weg wie ein Großer. Dass das volle Drehmoment (250 Nm) vom Fleck weg zur Verfügung steht, ist eines der erfreulichen Charakteristika von E-Mobilen. Das Fahrwerk wirkt etwas hölzern, was auch an der rollwiderstandsminimierenden Schmalstbereifung liegen mag. In flott gefahrenen Kurven (jawohl, auch das wurde aufopfernd und gewissenhaft getestet) hat man mitunter Sorge (natürlich unberechtigt), es könne einem die Asphaltschneider von den Felgen ziehen. Und im Schleichtempo, bei starkem Lenkeinschlag, vernimmt man ab und an ein leises Ächzen.

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Das Gaspedal setzt man auch zum Bremsen ein, denn ab einer gewissen Pedalstellung mutiert der 170-PS-E-Motor zum Generator, der Energie in die Lithium-Ionen-Batterie rückspeist. Wir haben schließlich nix zu verschenken. Was vielleicht fehlt, ist eine Wahlmöglichkeit wie beim VW e-up! – bei dem kann man umschalten zwischen Generatorbetrieb und Segeln.

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Sonst stimmt bei diesem speziell für den Großstadtbetrieb konzipierten Auto fast alles. Sagt ein E-Skeptiker – und fragt noch bei Michael Ebner, Sprecher von BMW Österreich, nach: Ab wann gibt es den Range-Extender? "Bereits verfügbar." Gibt's Wartezeiten, oder lautet die Devise "Heute bestellen, morgen abholen"? "Wir haben bereits in den ersten Wochen weit über 200 i3 abgesetzt. Aufgrund dieser enormen Nachfrage bestehen derzeit einige Monate Wartezeit." Und schließlich: Soll ich nicht doch besser warten auf den Plug-in-Supersportwagen i8? "Unbedingt. Der passt optimal zu deinen Schultern!" Doch damit wären wir wieder, wie eingangs, in einem Traum, und aus dem fiele das Erwachen richtig schwer. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 17.01.2014)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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