Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie, aber wehe, ein österreichischer Polizist versaut ihm das schöne Palindrom mit einem persönlich gemeinten Zusatz, wie zum Beispiel "Scheiß-". Das Exekutivorgan muss dabei gar nicht von einer die Menschenwürde verletzenden Absicht geleitet sein, was ohnehin unvorstellbar ist. Es genügt schon, wenn es sich dabei - nach Ansicht österreichischer Richter - nur um eine die Amtshandlung routinemäßig begleitende und daher staatsanwaltlich nicht zu verfolgende Beleidigung handelt: Und schon rastet so ein Neger völlig aus und sieht sich gleich in seiner menschlichen Würde verletzt, nur weil er behandelt wird, wie es auch österreichischen Eingeborenen ergehen kann, jedenfalls was das "Scheiß-" betrifft. "Neger" zu einem Einheimischen - das ginge an die Menschenwürde, und es fänden sich bestimmt Richter, die gegen die staatsanwaltliche Verfolgung einer solchen verbalen Rassenschande keinen Einwand hätten.

Ja, wenn der Polizist zu dem Neger "Scheißösterreicher" gesagt hätte, das wäre natürlich ein ganz anderer Fall. Welcher Richter wäre da einer rasenden Staatsanwaltschaft in den Arm gefallen? Das ist mit Sicherheit mehr als eine "einfache Beleidigung", auch wenn der Beamte sich darauf ausgeredet hätte, seine Anrede sei lediglich vom Bemühen um die unbürokratische Integration von Ausländern in die Fürsorge der österreichischen Exekutive getragen gewesen. Aber zum Glück sind hiesige Organe auf solche Ausreden gar nicht angewiesen, wissen sie doch - wie der Fall zeigt, der sich in Oberösterreich zugetragen hat - mit bewundernswerter Sensibilität auf dem scharfen Grat zu wandern, der zwischen einer Verletzung der Menschenwürde und einer "einfachen Beleidigung" liegt.

Das ist Strassers hohe Schule. Österreich ist eben ein Rechtsstaat, und wenn in einem solchen unabhängige Richter in der Formel "Scheißneger" unter Aufbietung profunden juristischen Wissens, eines empfindlichen Gewissens und sogar etymologischer Wörterbücher keine Verletzung der Menschenwürde erkennen können, dann sollte so ein Neger nicht am Status Österreichs als eines zivilisierten Landes zweifeln, sondern sich in der Erkenntnis, dass der Kongo nicht auf Afrika beschränkt ist, endlich aufgenommen fühlen. Immerhin hat sich der Beamte nicht auch noch auf seinem Brustkorb postiert, was allein mildernde Umstände ergäbe, hätte er solche notwendig.

Wo schließlich bekommt man noch gerichtlich bestätigt, dass nichts die intakte Würde eines Menschen besser wahrt als eine einfache Beleidigung, die vor Gericht zu bringen jedermann freisteht, der sich einen Anwalt leisten kann - vor ein Gericht, vor dem alle gleich sind, wie auch schon Österreicher feststellen konnten, die einen Polizisten unziemlich gereizt haben, und erst recht, wo es sich um eine Causa Scheißneger gegen weißen Wachkörper handeln sollte.

Wie so oft, spielt bei solchen Auseinandersetzungen halt auch der Zufall eine große Rolle. So erkannte der Richter messerscharf, dass sich die Beschimpfung des Polizisten gegen eine "bestimmte Person" gerichtet hat, "die ,zufällig' der schwarzen Rasse angehört, und nicht gegen die schwarze Rasse als solche". Daher keine Verletzung der Menschenwürde, klar. Da sieht man wieder, wie schwer der Beruf eines Polizisten ist. Gehörte der betreffende Scheißneger der schwarzen Rasse nicht zufällig, sondern zwangsläufig an oder hätte der Beamte nicht harmlos eine bestimmte Person angeredet, sondern unbestimmt "Scheißneger" in die Gegend gerufen, in der sich derselbe aufhielt - schon wäre die Menschenwürde verletzt gewesen. Als Polizist kannst du heute gar nicht genug aufpassen. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2003)