Zum Feiern in den Keller gehen: Im Nascha’s erinnert Wien an eine ferne Metropole.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es gibt richtig gutes Carpaccio.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Weit hammas bracht: Jetzt müssen wir den Russen wieder dankbar sein. Die Massen professioneller Pelzmantelträger, die sich durch die Wiener Innenstadt wälzen, um jene Boutiquen zu plündern und Restaurants zu entern, die sich der gemeine Inländer nie leisten konnte oder wollte, tragen erheblich zu unserem Wohlbefinden bei – zumindest wirtschaftlich. Offenbar aber scheinen die hiesigen Buden auf Dauer nicht explizit genug aufgemascherlt zu sein, um dem Geschmack des neuen Geldes zu genügen, weshalb es sich seine Lokale jetzt halt selbst herbaut.

So kommt es einem jedenfalls im Nascha’s am Petersplatz vor. Der russische Name bedeutet „Unseres“, er setzt sich aber auch aus den Anfangsbuchstaben von Betreiberin Natascha Scharapowa zusammen. Scharapowa hat sich mit Tarik Çanakli zusammengetan, der die vergangenen 20 Jahre in den Diensten von Attila Dogudan stand und gelernt hat, wie man in Wien Gastronomie für betuchte Touristen betreibt. Die beiden wollten es aber ein bisschen genauer wissen, weshalb sie mit Denis Košutić einen Designer engagierten, der schon dem Orlando di Castello einen exaltiert boudoiresken Look verpasst hatte.

Schamlose Eleganz

Im Nascha’s setzt Košutić eins drauf: Der Mix aus Art-déco-Stoffen in Schwarz-Weiß, bronzefarbenen Spiegeln und einer Tapete, die übervolle Lippen, ebensolche Burger, giftgrüne Hummer, Revolver und andere Paraphernalia des kultivierten Lebens zu einem Muster verbindet, macht ordentlich was her.

Ist aber alles nichts gegen die schamlose Eleganz, mit der sich speziell das weibliche Publikum aufzudonnern versteht. Da sind verdammt schöne Kleider dabei, auch wenn der Schneider manchmal sehr am Stoff gespart zu haben scheint. In Kombination mit dem zuvorkommenden wie selbstbewussten Service, einer DJane mit der melancholischen Aura einer PietÓ und den muskulösen Argumenten mancher Besucher, die geradewegs aus dem Hinterzimmer von Tony Sopranos Fleischerei zu kommen scheinen, entsteht ziemlich exotisches Flair. Passt!

Jeroboam

Auf der Getränkekarte sprudelt es, wenig überraschend, aus allerhand Großformaten, allerdings zu richtig schüchternen Preisen. Roederer in der Jeroboam (drei Liter!) kommt auf gerade 295 Euro, da sollten die Partys nicht lange auf sich warten lassen. Die Speisekarte liest sich wie ein Sammelsurium teurer Ingredienzien – was auf dem Teller landet, ist aber durchwegs kundig zubereitet. Hummerbisque wartet mit sattem Krustentieraroma und saftig gegarten Hummerstücken auf, Carpaccio auf Miso-Honig-Mayo (siehe Bild) ist endlich einmal nicht eiskalt und wird mit gegrillten, zart rauchigen Shitake-Pilzen kom­biniert.

Gebackenes Ei mit Lachskaviar ist tadellos kernweich gegart und mit Zitronencreme hübsch angerichtet, Wolfsbarsch mit Blattspinat bekommt eine satte Trüffelsauce verpasst – es lebt sich recht passabel von dem, was bei Oligarchen vom Tisch fällt. Beim Steakburger vom Wagyu-Beef mit Gansleber und Trüffeleierspeis hingegen wird versucht, die Bling-Bling-Butter gar dick aufs Brot zu schmieren – wenn die teure Steak-Miniatur das Weckerl aber nur sehr mickrig auszufüllen vermag, wirkt die Protzpose auf einmal eher unbeholfen. (Severin Corti, DER STANDARD, Rondo, 17.1.2014)