Ein antiferroelektrischer Kristall unter dem Elektronenmikroskop: Die dunkel hervortretenden, diagonal verlaufenden Linien zeigen die Grenzflächen.

Foto: Forschungszentrum Jülich

Seit Jahrzehnten gelingt es Forschern, immer mehr Daten auf Speichermedien mit immer höherer Dichte unterzubringen. Dass auf diesem Gebiet der Informationstechnologie noch immer keine Obergrenze erreicht wurde, zeigt die jüngste Entdeckung eines internationalen Teams um Jülicher Forscher. Die Wissenschafter beobachteten ein physikalisches Phänomen, das sich für die weitere Datenverdichtung eignen könnte: Sie fanden, dass die Grenzflächen, die in bestimmten kristallinen Materialien Bereiche voneinander trennen, eine Polarisierung aufweisen, mit der sich Informationen möglicherweise auf engstem Raum und dabei energiesparend speichern lassen könnten.

Die Wissenschafter des Forschungszentrums Jülich, der Schweizer Forschungseinrichtung EPFL in Lausanne, der Schlesischen Universität im polnischen Kattowitz und der Jiaotong-Universität in Xi'an, China, haben so genannte antiferroelektrische Kristalle mit Hilfe modernster Elektronenmikroskope sowie Computersimulationen untersucht. Solche Materialien besitzen keine elektrische Polarisierung und schienen deshalb bisher für Anwendungen in dieser Hinsicht uninteressant zu sein. Die Forscher haben nun herausgefunden, dass bestimmte Bereiche solcher Materialien doch ferroelektrische, polare Eigenschaften besitzen können.

Ferroelektrizität tritt auf, wenn positive und negative Ionen gegeneinander verschoben sind und sich elektrische Dipole bilden. Die Stärke und die Orientierung der Dipole, oder Polarisierung, lässt sich mit einer äußeren Spannung ändern und bleibt ohne Zufuhr von Strom erhalten, bis man sie überschreibt. Ferroelektrische Materialien werden deshalb bereits zum Beispiel bei Bahntickets zur Speicherung von Daten eingesetzt.

Zehn Mal höhere Datendichte möglich

Die ferroelektrischen Bereiche, die die Forscher nun gefunden haben, sind nur rund zwei Nanometer dick und könnten deshalb einmal Daten auf zehnmal weniger Raum speichern, als es mit magnetischen Materialien möglich ist. Dabei handelt es sich um die Grenzflächen oder "Wände", die Areale gleichförmiger Strukturierung in den ansonsten antiferroelektrischen Materialien voneinander trennen.

Atomar auflösende elektronenmikroskopische Untersuchungen zeigten, dass jede Wand einheitlich polarisiert ist. Um die Polarisierung zu ändern und Daten einzuschreiben, ist nur ein elektrisches Feld nötig, dann bleibt die Polarisierung bis zum Überschreiben gespeichert. Weil kein Strom fließen muss, ist der Energiebedarf geringer als bei der magnetischen Datenspeicherung.

"Besonders spannend für Anwendungen ist die spezielle Anordnung der Wände", berichtet Nava Setter vom EPFL: Unter dem Mikroskop sieht man schon bei relativ geringer Vergrößerung, dass die Domänen durch lange, parallel verlaufende Wände voneinander getrennt sind. Die Position der verformungsfreien Wände ist veränderlich – je nach Temperatur oder angelegter elektrischer Spannung rücken sie näher aneinander oder die Abstände vergrößern sich. Diese Phänomene wollen die Forscher genauer untersuchen, denn die Mobilität und die Dichte der Wände kontrollieren zu können, ist eine Voraussetzung für die technische Nutzung. (red, derStandard.at, 18.1.2014)