Es wird eifrig gedämmt: Bis 2020 sollen auch Altbauten auf Passivhausstandard gebracht werden.

Foto: http://istockphoto.com/digiclicks

Die Ziele sind ehrgeizig: Nicht nur sollen laut EU-Direktive ab 2020 alle Neubauten als Nullenergiehäuser errichtet werden, auch der Baubestand soll bis dahin so weit wie möglich auf diesen Stand gebracht werden. Seither ist die Bauindustrie im Klimafieber. Eifrig wird gedämmt - wobei die Effektivität und Umweltfreundlichkeit mancher Baustoffe umstritten ist.

Jetzt ist auch die EU selbst unter die Projektentwickler in Sachen energetische Sanierung gegangen. Mit dem großangelegten Programm "Inspire", das im Herbst 2012 begonnen wurde, sollen sogenannte "systemische Renovierungspakete" entwickelt werden, die den Primärenergiebedarf eines Gebäudes auf das gewünschte Maß reduzieren können. Sanierung aus dem Baukasten sozusagen.

Dank eines "holistischen Ansatzes" sollen alle Aspekte der Sanierung betrachtet werden - von der Bestandsanalyse über Heizsysteme bis zur Informationstechnologie -, und derart soll am Ende ein Sanierungsset Marke EU auf den Markt gebracht werden.

Unter den 24 Partnern, die an "Inspire" beteiligt sind, findet sich auch ein Team aus Tirol. An der Uni Innsbruck wurde eine Mikrowärmepumpe konzipiert, die sich in Fassadenelemente einbauen lässt. Dank der Energieeffizienz von Gebäuden nach dem Passivhaus- bzw. "Enerphit" -Standard, die mit einem Heizwärmebedarf von 15 bzw. 25 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr auskommen, sowie der Nutzung von Abwärme aus der Lüftung soll sich dieser Bedarf komplett durch die Miniwärmepumpe abdecken lassen. Die Fassadenelemente sollen so nicht einfach nur die Wärme im Haus halten, sondern sind wahre Technologie- und Energiekonzentrate, die fix und fertig auf die Altbaufassade "gesteckt" werden können, sozusagen ein Plug-in-Passivhaus.

"Es geht darum, Renovierungskits in Form industriell vorgefertigter Lösungen zu entwickeln. Diese Kits bilden dann zusammen ein Sanierungspaket", erklärt Fabian Ochs, Spezialist für energieeffizientes Bauen an der Uni Innsbruck. Die Mikrowärmepumpe wird zurzeit gemeinsam von der Uni Innsbruck und der Firma Siko Solar aus Jenbach entwickelt. Zusammengebaut wird das Sanierungsset vom deutschen Fassadenbauer Gumpp & Maier.

Drei Häuser, drei Städte

Im Moment werden die ersten Prototypen entwickelt. "Wir unterstützen die Entwicklung durch Simulationen und vermessen die Prototypen im Labor. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen, damit wir im Herbst mit dem ersten Einsatz in der Praxis starten können", sagt Ochs. Getestet wird "Inspire" europaweit an drei Büro- und Wohnhäusern in Madrid, Verona und Ludwigsburg, koordiniert wird das auf vier Jahre ange- legte Projekt vom Institut für erneuerbare Energie an der Europäischen Akademie (Eurac) in Bozen.

Was an diesem Heizsystem ist wirklich neu? "Passivhäuser bestehen seit vielen Jahren, da gibt es keine großen technologischen Hürden mehr. Aber die Systeme, die existieren, sind eben häufig entweder kostengünstig oder energieeffizient, aber nicht beides", sagt Fabian Ochs. "Mit der Mikrowärmepumpe lässt sich die Technik einfach in die Fassade integrieren und kann bei der Sanierung von Mehrfamilienhäusern je einer Wohnung zugeordnet werden." Bedienung und Abrechnung wären dadurch für den Bewohner unkompliziert zu handhaben.

Puzzle aus Licht und Wärme

"Es funktioniert wie ein Puzzle", ergänzt Arthur Sief, Geschäftsführer der Firma Siko Solar, die seit 34 Jahren Solarthermie, Photovoltaik und Wärmepumpen entwickelt. "Unsere Mikrowärmepumpe ist mit einer Tiefe von maximal 25 Zentimetern genau auf das Fassadensystem abgestimmt und kann trotz ihrer geringen Größe aus der Abwärme der Wohnraumlüftung die Vollheizung eines sanierten Wohnhauses leisten."

Ein weiterer Vorteil des Aufstecksystems sei, dass die Bewohner nicht, wie heute bei größeren Wohnanlagen üblich, für die Dauer der Sanierungsphase abgesiedelt werden müssten.

Zusätzliches Tiroler Know-how wird von der Firma Bartenbach aus Aldrans in den EU-Baukasten eingespeist. "Unsere Aufgabe ist es, die Tageslichttechnik in die Baukastenfassade zu integrieren", sagt Wilfried Pohl, der Leiter der Forschungsabteilung bei Bartenbach. "Die Außenbedingungen ändern sich ständig, und durch lichtlenkende, verspiegelte, gesteuerte Lamellen kann das Tageslicht so in den Raum gelenkt werden, dass es der Nutzung entspricht."

Beträgt heute in einem Büro mit schlechter Belichtung der Anteil künstlicher Beleuchtung während der Arbeitszeit etwa 50 bis 70 Prozent, könne durch integrierte Tageslichttechnik dieser Wert auf zehn bis 20 Prozent gesenkt werden, sagt Pohl.

Parallel dazu arbeitet man bei Bartenbach noch an einem zweiten Alleskönnersystem für das EU-Projekt: ein Deckensegel für den Innenraum, das Heizung, Kühlung, Akustik, Klimatisierung und Kunstlicht in sich aufnimmt. "Dieses Element ist vor allem für Büros geeignet, kann aber genauso im Wohnraum als Möbel funktionieren", sagt Bartenbach-Projektmanager Robert Weitlaner. "Mit rund vier bis sechs Zentimeter Tiefe ist es sehr platzsparend und kann mit vier Schrauben an der Decke befestigt werden." Als ergänzende Raumheizung kann das Segel direkt an die Wärmepumpe in der Fassade angeschlossen werden. Demonstriert und getestet werden soll das flache Energiemöbel ab Februar in einem Showroom in Linz.

Renovierungskit

Das Renovierungskit für die Fassade wird laufend an einer Musterwand der Uni Innsbruck getestet, im Herbst soll der Praxistest bei der Wohnanlage in Ludwigsburg erfolgen. Nach einem Jahr Monitoring und einem halben Jahr Optimierung könnte der Baukasten Ende 2016 auf den Markt kommen.

"Es ist sicher kein Schubladenprojekt", sagt Fabian Ochs. "Wir als Uni sind zwar nicht an der Vermarktung beteiligt, aber ich glaube, dass die Chancen gut sind." Sollte sich das System etablieren, so Ochs, wäre dies ein weiterer Schritt in Richtung kostengünstiger Passivhaustechnik. (Maik Novotny, DER STANDARD, 15.1.2014)