Neue Bedrohungen erfordern neue Instrumente. Die Europäische Kommission appelliert an alle EU-Länder, gewaltbereiten Extremismus und Terrorismus konsequenter zu bekämpfen. Leitfäden für Aussteiger aus extremistischen Bewegungen sind in ganz Europa vonnöten. Die EU muss insgesamt besser kooperieren und eine europäische Verteilerstelle für Fachwissen in diesem Bereich aufbauen.

Für extremistisches Gedankengut empfängliche Menschen können leicht an Gruppen geraten, in denen sie sich bestätigt fühlen. Ebenso gut können sie isoliert bleiben und im Alleingang Gewaltakte begehen. Extremismus ist nicht auf eine bestimmte Ideologie oder Religion beschränkt. Der Norweger Anders Breivik rechtfertigte seine Anschläge mit einer persönlichen faschistischen Ideologie. Er ist Paradebeispiel für den Typus des einsamen Wolfs, der im Verborgenen agiert, ohne dass ihn die Behörden verdächtigen.

Es trifft alle Länder in Europa. Vor zwei Jahren tötete Mohammed Merah in Toulouse und Montauban sieben Menschen, Erwachsene und Kinder, Muslime und Juden, bevor die Polizei zuschlagen konnte. In Ungarn wurden Roma von Nazibanden umgebracht oder zusammengeschlagen. In Schweden versuchte Taimur Abdulwahab 2010, unschuldige Passanten mit Rohrbomben zu gefährden. In Griechenland wurde kürzlich der Rapper Pablos Fyssas von einem Mitglied der faschistischen Partei Goldene Morgenröte erstochen.

Angesichts dieser tragischen Ereignisse sucht Europa nun gemeinsam nach Auswegen. Langsam, aber sicher lernen wir aus unseren Erfahrungen und voneinander. Seit einigen Jahren arbeitet das 2011 von mir eingerichtete Aufklärungsnetzwerk gegen Radikalisierung (Radicalisation Awareness Network - RAN) an einem EU-Instrumentarium gegen gewaltbereiten Extremismus. Ihm gehören 700 auf nationaler oder lokaler Ebene tätige Polizeibeamte, Jugendbetreuer, Sozialarbeiter und Wissenschafter an, die Erfahrungen austauschen und gemeinsam Lösungen entwickeln.

Die vom Netzwerk erarbeiteten Maßnahmen könnten, wenn sie denn umgesetzt werden, für einen deutlich besseren Schutz Europas vor gewaltbereitem Extremismus sorgen. Daher legt die Europäische Kommission zehn Empfehlungen vor, denen die EU-Mitgliedstaaten möglichst rasch nachkommen sollten. Es geht dabei in erster Linie um eine engere Zusammenarbeit zwischen Behörden und anderen Stellen sowie um konsequentere Vorbeugungsmaßnahmen auf lokaler Ebene.

In allen EU-Ländern sollten Entradikalisierungs- bzw. Aussteigerprogramme anlaufen. Trotz des nachweislichen Erfolgs solcher Programme werden sie derzeit aber nur in wenigen europäischen Ländern angeboten. Nicht nur das muss sich ändern. In ganz Europa müssen vor Ort tätige Polizeibeamte und Sozialarbeiter darin geschult werden, wie man erste Anzeichen einer Radikalisierung bei jungen Menschen erkennt und wie dagegen vorzugehen ist.

Insgesamt müssen wir das Wissen und die Erfahrungen in allen EU Mitgliedstaaten besser nutzen. Deshalb wird die EU eine europäische Verteilerstelle für Fachwissen in diesem Bereich einrichten, die nationale wie lokale Behörden und Entscheidungsträger in ihrer Arbeit unterstützt.

Gleichzeitig müssen wir enger mit Ländern außerhalb der EU kooperieren, in denen junge Extremisten in Trainingscamps zu Terroristen ausgebildet werden.

Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen enger mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um wirksamer gegen extremistische Online-Propaganda vorgehen zu können. Es muss uns gelingen, auf Botschaften in Jihadistenforen adäquat zu reagieren. Unternehmen wie Google und Facebook sind ernsthaft bemüht, die Online-Verbreitung von Hassbotschaften zu unterbinden.

1200 Europäer in Syrien

Wir stehen momentan und künftig vor großen Herausforderungen. Deshalb müssen wir enger zusammenarbeiten. Gruppierungen wie Jobbik in Ungarn oder Goldene Morgenröte in Griechenland, die den Nährboden für Gewalt bereiten, gewinnen an Einfluss und ziehen möglicherweise dieses Jahr ins Europäische Parlament ein. Mittlerweile kämpfen rund 1200 Europäer im syrischen Bürgerkrieg. Darunter befindet sich eine kleine Gruppe Radikaler, kampferprobte junge Männer, die sich terroristischen Vereinigungen angeschlossen haben und bei ihrer Rückkehr nach Europa ein eindeutiges Sicherheitsrisiko darstellen.

Die Länder Europas müssen besser gerüstet sein, um gegen selbstgesponnene Terrorideologien, Einzeltäter und fremdenfeindliche Gewalt vorzugehen. Wir müssen enger zusammenarbeiten, wenn wir im Kampf gegen gewaltbereiten Extremismus wirklich etwas bewirken wollen. (DER STANDARD, 15.1.2014)