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Alek Wek auf dem Laufsteg für Lanvin im September 2013.

Foto: ap/brinon

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Wek bei der Präsentation von Schuhen von Stuart Weitzman in Düsseldorf 2008.

Foto: ap/tillmann

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Alek Wek im Juli 2006 auf dem Laufsteg anlässlich der Messe Ispovision in München.

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Schwarze Zahlen - Die Diskussion um Rassismus in der Mode wird lauter

Foto: apa/epa/dornberger

Wenn Alek Wek lacht, geht die Sonne auf. Die 37-jährige südsudanesische Schönheit, die seit den 1990er-Jahren als Topmodel gehandelt wird, strahlt Wärme aus; an einem kalten Tag in London. Sie ist hier, um von Annie Leibovitz für die neue Marks-&-Spencer-Kampagne abgelichtet zu werden.

Seit fast zwanzig Jahren zählt sie zu den wenigen afrikanischen Fotomodellen, die sich erfolgreich in der Branche halten. Ihre hochgewachsene Gestalt ist elegant, ihr Gesicht außergewöhnlich und unverwechselbar. Fast könnte man meinen, sie wäre einer Malick-Sidibé-Fotografie entsprungen, so authentisch wirkt sie. Schwer hat sie es gehabt, als sie mit 14 Jahren mit einem Flüchtlingsvisum nach London kam. Heute ist es ihr größtes Anliegen, anderen zu helfen.

STANDARD: Erinnern Sie sich an Ihren ersten Modeljob?

Wek: Einer meiner ersten Jobs brachte mich auf das Titelblatt der englischen "Elle". Das war 1997. Da ich das erste schwarze Model auf einem Elle-Cover war, war es ein kleiner Durchbruch. Im Vergleich zu meinen vorigen Jobs war das Modeln das reinste Schlaraffenland.

STANDARD: Was waren Ihre vorigen Jobs?

Wek: Toilettenputzen war einer davon. Ich bin jeden Tag um halb fünf in der Früh aufgestanden, um fünf war ich bei der BBC, wo ich bis sieben putzte. Danach fuhr ich ins College.

STANDARD: Sehen Sie sich als Model oder als schwarzes Model?

Wek: (lacht) Also in erster Linie sehe ich mich als Frau, dann als Model. Schwarz ist meine Hautfarbe.

STANDARD: Die meisten schwarzen Models hatten - bis Sie auftauchten - ein sehr "europäisches" Aussehen. Von geglätteten Haaren bis zu operierten Nasen. Sie selbst haben starke sudanesische Züge. Waren Sie nie in Versuchung, dem begehrten "europäischen" Aussehen zu entsprechen?

Wek: Es interessiert mich nicht, mich gewissen äußerlichen Maßstäben anzupassen. Ich bestimme den Maßstab. Und ich sage das nicht mit Arroganz, sondern mit Selbstbewusstsein. Ich bin stolz auf meine Herkunft. Wenn man sich akzeptieren kann, hat man kein Problem mit seiner Hautfarbe. Das Besondere und Schöne an Frauen ist doch, dass sie verschieden sind.

STANDARD: Warum wird die Diskussion um das zunehmende Verschwinden von schwarzen Models von Laufstegen und aus Magazinen immer heftiger?

Wek: Ich bin das lebende Beispiel, dass dem nicht so ist. Bis in die 1980er-Jahre waren schwarze Models hauptsächlich auf den Laufstegen zu sehen, nicht in Magazinen. Heute sieht man sie in Magazinen, auf dem Laufsteg und in Werbekampagnen.

STANDARD: Es ist eine Tatsache, dass sich ein Magazin-Cover, auf dem eine schwarze oder farbige Frau zu sehen ist, schlechter verkauft.

Wek: Handelt es sich da um eine Statistik? Bin ich die Ausnahme? Ich war auf einigen Covers zu sehen. Ich machte Werbung für die Make-up-Linie von François Nars; Liya Kebede ist Testimonial für Estée Lauder - sie war einige Male auf verschiedensten "Vogue"-Covers zu sehen. Rihanna und Beyoncé sind auf "Vogue"-Covers. Das war vor 20 Jahren undenkbar.

STANDARD: Ihre Kollegin Naomi Campbell wirft dem Modebusiness sogar Rassismus vor. Wie kommt sie zu so einer gegensätzlichen Meinung?

Wek: Das war schon in den 1980er-Jahren Thema, als Naomi viel Arbeit hatte. Wieso hat sie damals nicht darüber gesprochen? Wenn sie sich dafür einsetzt, dass mehr schwarze Models gezeigt werden, bin ich ganz auf ihrer Seite. High Fashion ist eine gute Plattform: Jedes Mädchen, das auf diesem Niveau arbeitet, kann ihre Stimme erheben und damit Einfluss nehmen.

STANDARD: Sie selbst waren in der Modewelt nie mit Rassismus konfrontiert?

Wek: Oh mein Gott! Natürlich! Als ich anfing, bekam ich zu hören: "Wir können sie nicht nehmen - sie ist zu schwarz, sie ist zu groß, sie sieht zu anders aus." Ich habe mir gedacht: "Wow, die sind ganz schön merkwürdig, starren mich an und denken, ich sehe merkwürdig aus!"

STANDARD: Sie haben diese Kommentare nicht persönlich genommen?

Wek: Rassismus ist überall, er beschränkt sich nicht auf die Hautfarbe. Ich definiere mich nicht über Bemerkungen dieser Art. Niemand schafft es, mich herunterzumachen. Es gibt nichts, wofür ich mich zu genieren bräuchte. Schon gar nicht für mein Äußeres. Ich habe früher auf dem Boden geschlafen, heute schlafe ich in Fünf-Sterne-Hotels. Meine Werte haben sich dadurch nicht verändert. Und ich bin meinen Eltern unendlich dankbar, dass sie mir diese Werte mitgegeben haben.

STANDARD: Sie wuchsen im Südsudan auf und flüchteten während des Bürgerkriegs. Wie alt waren Sie damals?

Wek: Ich war 14 Jahre alt. Aus deinem Zuhause, von deinem eigenen Land vertrieben zu werden, zu sehen, wie deine Nachbarn plötzlich verschwinden, der Tod plötzlich so präsent ist, war traumatisierend. Es ist beängstigend, wenn man sieht, wie die eigenen Eltern, von denen man sich beschützt fühlt, plötzlich so angreifbar sind.

Wir sind tagelang zum nächsten Dorf gegangen, das uns sicherer erschien. Mein Vater wurde sehr krank, er hatte eine Entzündung, die durch das viele Gehen schlimmer wurde. Er starb an den Folgen. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon mit meiner Schwester in London, wo wir als Flüchtlinge Asyl erhielten.

STANDARD: Heute gelten Sie als eine der 100 einflussreichsten Menschen aus Afrika. Sie sind aktives Mitglied der UN-Menschenrechtskommission.

Wek: Meine Besuche im Südsudan, im vergangenen Jahr und 2005, haben mich sehr berührt. Ich werde tun, was in meiner Macht steht, diese neue Nation mitaufzubauen. 50 Prozent der Nation sind Jugendliche. Wenn sie keine Bildung erhalten, kann sich das Land nicht entwickeln. Wir brauchen dringend Fachleute: Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte - die Liste ist unendlich. Ich konzentriere mich auf die Ausbildung von Kindern. Manche von ihnen haben eine dreistündige Anfahrtszeit zur nächsten Schule, und dort unterrichtet dann oft nur ein Lehrer mehrere Altersstufen.

STANDARD: War die Situation ähnlich, als Sie dort aufwuchsen?

Wek: Mein Vater setzte sich sehr dafür ein, dass auch seine Töchter die Schule besuchen konnten. Und zwar eine gute Schule. Er begleitete mich am ersten Schultag, was sehr unüblich war für einen Familienvater. Meine Familie gehört zum Volk der Dinka. Wenn Sie ein bisschen etwas über meine Kultur wissen, dann wissen Sie auch, dass Töchter für Rinder an ihre Ehemänner verkauft werden. Je mehr Töchter man hatte, desto reicher galt die Familie.

Wir sind vier Schwestern und drei Brüder. Mein Vater gehörte zu der neuen Generation, die Bildung in den Vordergrund stellte, obwohl er ein richtiger Dinka-Mann war. Er erklärte mir als Mädchen: "Wenn du gebildet bist, bist du eine bessere Frau, eine bessere Mutter, eine bessere Ehefrau, ein besserer Mensch. Du kannst bessere Entscheidungen treffen." Das hat mir viel Kraft gegeben.

STANDARD: 2011 erlangte der Südsudan seine Unabhängigkeit vom Sudan. Könnten Sie sich vorstellen, wieder dort zu leben?

Wek: Schon allein meiner sozialen Projekte wegen werde ich oft dort sein. Auch meine Mutter reist immer öfter in ihre alte Heimat. Ihr wäre am liebsten, wenn ihre sieben Kinder dort leben, einen Dinka-Mann heiraten und viele Dinka-Kinder bekommen würden. (Cordula Reyer, Rondo, DER STANDARD, 17.1.2014)