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Behördenentscheidungen zum Anrecht auf Sozialleistungen für Arbeitsmigranten im Binnenmarkt müssen fallweise erfolgen, nicht pauschal oder diskriminierend, erklärt Sozialkommissar Andor.

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Er wolle dazu beitragen, die in einigen Ländern – voran Deutschland und Großbritannien – aufgeheizte Debatte um den vermeintlichen Missbrauch der Personenfreizügigkeit zum Bezug von Sozialhilfen durch Arbeitsmigranten im EU-Binnenmarkt abzukühlen und auf eine sachliche Ebene zu bringen. So begründete EU-Sozialkommissar László Andor am Montag in Brüssel den Vorstoß seiner Behörde, einen "praktischen Leitfaden" zum Thema vorzulegen. Der soll es den Mitgliedstaaten erleichtern, geltende EU-Bestimmungen mit den nationalen (und lokalen) Regeln bei der Auszahlung von Sozialleistungen an EU-Bürger anzuwenden – sei es das Arbeitslosen- und Kindergeld oder Hartz-IV-Leistungen, wie in Deutschland.

Diesbezüglich habe es in den vergangenen Tagen viele "Missverständnisse" gegeben, aber auch falsche Auslegungen von Kommissionsstandpunkten, sagte Andor unter Anspielung auf die heftigen Attacken von Spitzenpolitikern der deutschen CSU und der CDU. Die Kommission gefährde mit immer neuen Ideen die Zustimmung der Bürger zur europäischen Idee, gefährde Arbeitsplätze in Deutschland, hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Wochenende erklärt. Seine Partei hatte die Attacken unter dem Motto "Wer betrügt, der fliegt"  angezündet und sich vor allem auf Rumänen und Bulgaren eingeschossen. Für diese gilt seit 1. Jänner das Recht auf freie Arbeitssuche in der EU.

CDU-Fraktionschef Volker Kauder nannte die Haltung der Kommission "völlig inakzeptabel" , Seehofer sprach von "Realitätsferne" . Andor ging darauf nicht ein, wiederholte aber erneut, warum die Kommission in einem speziellen Fall (eine arbeitslose Rumänin hatte nach Monaten in Deutschland Sozialhilfe eingeklagt) eine klare Position einnahm: Ein Land dürfe einem zugewanderten EU-Bürger Leistungen nicht einfach pauschal absprechen; es müsse unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Einzelfallprüfung kommen, bevor eine Leistung von Lokalbehörden verwehrt wird.

Der Leitfaden, der nach den Worten des Sozialkommissars keinerlei neue Regeln bringt, sondern nur das zusammenfasst, "was die EU-Staaten seit Jahren schon vereinbart haben", soll anhand von konkreten Beispielen reibungslose Lösungen ermöglichen. Eines sei bei Zuwanderern heute schon eindeutig: "Es gibt nicht automatisch Rechte auf Sozialleistungen in einem anderen Land" , sagte Andor. Wenn aber berufliche, familiäre Voraussetzungen gegeben seien, dürfe es keinesfalls eine Diskriminierung zwischen EU-Ausländern und Inländern geben.

Kernstück im Leitfaden ist der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthaltsortes". Dieser legt fest, in welchem EU-Land der Lebensmittelpunkt eines Migranten anzusetzen ist – im Heimatland oder im Gastland.

Kriterien dafür seien die familiären Umstände, der Schulbesuch der Kinder, Dauer und Kontinuität der Arbeit (oder bei Studenten des Studiums), die Wohnsituation, der steuerliche Wohnsitz etc. Pensionisten (etwa Deutsche in Mallorca) hätten ab einer gewissen Zeit ebenso soziale Ansprüche im Gastland. Von diesen Statusdetails hänge auch ab, ob etwa Arbeitslose (wie Inländer) Anspruch auf staatliche Hilfen haben, erklärte Andor. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 14.1.2014)