Es war eine unchristliche Zeit, zu der sich brave Väter mit Sinn für Familienleben besser nicht herumtreiben sollten: Zu mitternächtlicher Stunde hatte sich das Spitzenpersonal der ÖVP am Sonntag in der Parteiakademie in Wien versammelt. Die bösartigen Medien vermuteten natürlich gleich eine Krisensitzung, doch solche Interpretationen verbat sich der Gastgeber entschieden. Ein ganz normales Treffen, wie es alle Wochen stattfindet, versicherte Michael Spindelegger, von Querelen keine Spur. Nix zu sehen, bitte weitergehen!

So wird das nichts mit dem neuen Stil in der Politik. Wenn eine Unart quer durch alle Lager Wähler vertreibt, dann sind es Auftritte wie diese: von Politikern, die partout keinen Fehler einräumen wollen, Niederlagen schönfärben, Entschuldigungen nur unter rhetorischen Verrenkungen hervorpressen - oder, wie Spindelegger, das Offensichtliche bestreiten. Ein ÖVP-Chef, der nach tagelangen Querschüssen aus den eigenen Reihen so tut, als träfe er sich mit den Kollegen auf einen lange ausgemachten Kegelabend, wirkt nicht souverän, sondern skurril.

Ein offensiverer Umgang mit dem Konflikt könnte den Schaden für Spindelegger eher begrenzen als Wegreden. Denn es ist ja nicht so, dass seine Gegner in der öffentlichen Meinung unangreifbar sind: Der Parteichef, der eigenmächtigen Landesfürsten auf Augenhöhe entgegentritt, wäre eine Rolle, in der Spindelegger Statur gewinnen könnte. (Gerald John, DER STANDARD, 14.1.2014)