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Michael Spindelegger in Erklärungsnotstand: Er hat die Kontrolle über die Debatten in der ÖVP verloren.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - Plaudern, Hände schütteln, mit der Gattin das Tanzbein schwingen, das war der offizielle Teil von Erwin Prölls Samstagabend. Niederösterreichischer Bauernbundball in Wien - ein Heimspiel. Doch zwischendurch gab es immer wieder hektische Telefonate, und es dauerte nicht lange, bis deren Inhalt in den Gängen die Runde machte. ÖVP-Bundesparteiobmann Michael Spindelegger, so hieß es, habe Niederösterreichs Landeshauptmann am Samstagnachmittag mitgeteilt, dass er seinen Rücktritt plane - zumindest als Drohgebärde.

Pröll, erzählte man sich, habe daraufhin quasi zwischen Polka und Veltliner versucht, die Landesparteiobleute zu einem Treffen zusammenzutrommeln. Hektik dann am Sonntag: Das Treffen war für den Abend anberaumt. 22.00 Uhr in der Politischen Akademie in Wien-Meidling. Letztlich hatten alle Landesparteichefs ihr Kommen zugesagt.

Querschüsse

Michael Spindelegger ist jedenfalls stinksauer. Und bereit, alles hinzuhauen. Nicht alles: Finanzminister würde er bleiben wollen. Aber den Parteivorsitz könne auch ein anderer machen, wenn sich der Konflikt in der Partei nicht befrieden lasse. Die Querschüsse aus dem Westen seien jedenfalls nicht mehr zu tolerieren.

Bei dem Treffen am Sonntagabend wollte Spindelegger die Vertrauensfrage stellen: Entweder die Landeschefs versichern ihm ihre Unterstützung oder sie sollen sich jemand anderen suchen. Die konsequente Selbstbeschädigung könne jedenfalls nicht so fortgesetzt werden. Spindelegger erinnerte die Landesparteichefs auch daran, dass sie ihm ein Pouvoir für ein Personalpaket gegeben und das Regierungsübereikommen (ohne Gesamtschule und Vermögenssteuern) inhaltlich abgesegnet hätten. Die offizielle Version des Treffens: Die Diskussionen sollten endlich intern und nicht über die Öffentlichkeit geführt werden, die Beteiligten tauschen ihre Positionen aus, und Spindelegger nimmt jetzt die Zügel in die Hand.

Mit Vorarlberg, Tirol, Salzburg und der Steiermark haben sich vier Länder ganz offen gegen den Bundesparteichef in Wien gestellt. Es geht auch um die Frage der Gesamtschule, aber nicht nur. Es geht auch um gekränkte Eitelkeiten, um Macht und Einfluss. Der Westen hat die vergangenen Tage ausführlich dazu genutzt, mit Spindelegger abzurechnen und offene Rechnungen zu begleichen. Dass Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer am Wochenende sogar die Vermögenssteuer guthieß und damit eine weitere Flanke gegen die Parteiführung in Wien aufmachte, hat Spindelegger und seine Getreuen fassungslos gemacht.

Enormer Schaden

Niederösterreichs Landeshauptmann Pröll, einflussreichster Mentor von Spindelegger, warnt die anderen Landeschefs davor, dass der jetzige Streit auch einen enormen Schaden für die gesamte Partei bedeute. Spindelegger könne sich derartige Illoyalitäten jedenfalls nicht gefallen lassen.

Was die Motivlage des Aufstands gegen Spindelegger betrifft, gehen die Sichtweisen auseinander: Im Westen beklagt man die Denkverbote und den Starrsinn, den die Bundespartei in Zukunftsfragen an den Tag lege. Gerade in der Schulfrage gibt es extrem unterschiedliche Zugänge. In Wien und Niederösterreich gibt es zum Teil andere Interpretationsweisen: Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner hat im September seine erste Wahl als Amtsinhaber zu schlagen, Umfragen sehen ihn bis zu 15 Prozent hinter dem letzten Ergebnis der ÖVP im Ländle. Was eine gewisse Nervosität erkläre.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter ärgere sich immer noch darüber, dass er in Personalfragen der Bundesregierung nicht eingebunden wurde, sein Vorstoß zur Gesamtschule im ganzen Bundesland sei ebenso wenig durchdacht wie jener Wallners.

Salzburgs Landeshauptmann Haslauer habe sich während der Koalitionsverhandlungen mit Spindelegger auseinandergelebt, die beiden hätten inhaltlich divergierende Ansichten, gut zu sehen in der Schulfrage und beim Thema Vermögenssteuern.

Steiermarks Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer agiert ungewöhnlich heftig gegen Wien. Das liege auch daran, dass Schützenhöfers "Reformpartnerschaft" mit der SPÖ in der Steiermark von der Wählerschaft nicht geschätzt werde und sich Schützenhöfer selbst nicht entscheiden könne, ob er sich jetzt wie angekündigt zurückziehen oder doch die nächste Wahl bestreiten werde.

Offener Plan B

Spindelegger kämpft nicht nur entlang der Ländergrenzen, sondern auch mit seinen Bünden. Im Bauernbund - selbst in jenem in Spindeleggers Heimat Niederösterreich - ist die Solidarität mit dem Parteichef enden wollend. Es wird ihm angekreidet, dass er die Partei nicht im Griff habe, nicht in der Lage sei, die "Westachse" einzufangen. Besonders traurig über einen Spindelegger-Rücktritt wären die Bauern wohl nicht, wenngleich auch sie bei der Frage nach einem Plan B bloß mit der Schulter zucken (können).

Noch offener wird der Unmut über den Parteichef im Wirtschaftsbund artikuliert. Dass die GmbH-Reform wieder zurückgenommen wird, ist nur ein Ärgernis von vielen. Sicherheitshalber, so heißt es, habe Obmann Christoph Leitl das Präsidium gar nicht über das Regierungsprogramm abstimmen lassen. (Andrea Heigl, Michael Völker, DER STANDARD, 13.1.2014)