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Foto: AP/Lohnes

Mitte dieser Woche soll es endlich so weit sein: Dann will Bundeskanzler Werner Faymann in seiner Eigenschaft als SPÖ-Chef endlich die Kandidatenliste für die Europawahlen am 25. Mai vorstellen. Das kommt bereits ziemlich spät. Denn die drei anderen ernst zu nehmenden in Straßburg vertretenen Parteien  – ÖVP, FPÖ und Grüne – haben ihre Spitzenkandidaten und/oder Listen längst in Stellung gebracht.

Große personelle Überraschungen gab es dabei nicht: Am Stärksten scheint noch die ÖVP aufgestellt, die mit dem leidenschaftlichen liberalen Europapolitiker und Parlamentsvizepräsidenten Othmar Karas als Nummer 1 antritt und mit Beatrix Karl immerhin eine ehemalige Justizministerin kandidieren lässt. Die Grünen setzen mit Ulrike Lunacek auf Bewährtes bzw. präsentieren sich mit Michel Reimon eher linkslastig. Die eher "bürgerlichen" Westgrünen hingegen wurden ausgebremst, Eva Lichtenberger auf die Seite geräumt. Offiziell wollte sie nicht mehr antreten. Und die FPÖ schickt den ideologischen Haudegen Andreas Mölzer ins Rennen, der die Achse zum rechtsextremen Front National von Marine Le Pen errichtet hat, mit dem scharfen EU-Skeptiker und Generalsekretär Harald Vilimsky als Adjudanten auf der FPÖ-Liste.

Der Papierform nach könnte es also für die Sozialdemokraten gar nicht so schwer sein, bei Europawahlen zu reüssieren. Aber die Wahrheit ist, dass die Partei seit den Zeiten des Beitrittskanzlers Franz Vranitzky und seines Finanzministers Ferdinand Lacina Mitte der 1990er-Jahre an Europa-Drive stark verloren hat.

Gewürge um Kandidatenliste

Faymann hat sich zwar vom devoten Leserbriefschreiber an den damaligen EU-Basher der Kronenzeitung, Hans Dichand, im Wahlkampf 2008 selber zum interessierten Europakanzler gewandelt. Aber die Partei selber kann mit dem Thema seit Jahren eher wenig anfangen. Sie verfügt auch über keinerlei entsprechende Personalreserven. Hannes Swoboda als Chef der SPE-Gesamtfraktion im Europaparlament ragt wie ein einsamer Solitär im europäischen Konzert hervor. Dahinter ist eher Stille und Unauffälligkeit.

Kein Wunder also, wenn die "Überraschung" der SPÖ nun sein soll, dass sie sich inhaltlich stark präsentieren werde für ein soziales Europa, wie Faymann Freitagabend in der ZIB2 ankündigte – sichtlich grantig und ein wenig holprig, als er von Lou Lorenz zu den schwachen Leistungen seiner Partei im vergangenen Wahl- und Volksbefragungsjahr befragt wurde. Da wurde große Unsicherheit spürbar, wohl nicht zufällig am Tag des 125-Jahres-Jubiläums der Arbeiterpartei Viktor Adlers. Das Gewürge um die Kandidatenliste ist sichtbarer Ausdruck dafür, dass es der SPÖ an Profil mangelt.

Erinnerungen an Hans-Peter Martin

Nur folgerichtig war es daher, dass der Kanzler auch festhielt, es sei nicht so wichtig, auf welchen Listenplätzen die beiden derzeitigen EU-Abgeordneten Jörg Leichtfried und Evelyne Regner landen, die intern um die Spitzenplätze rittern. Über die eine oder andere "geborene" Nummer eins spräche ein Parteichef wohl anders. Aber Faymann spürt die Not: Weder Leichtfried noch Regner dürften die Wähler von den Sitzen reißen.

Also sucht  die SPÖ einen prominenten Spitzenkandidaten und Quereinsteiger, vorzugsweise weiblich, wie man hört. Wieder einmal, müsste man sagen. So war das bereits 1999, als die Spindoktoren Andreas Rudas und Heinz Lederer dem damaligen SPÖ-Kanzler Viktor Klima einredeten, der Journalist Hans-Peter Martin müsse als Quereinsteiger auf den ersten Listenplatz. Das Ergebnis ist bekannt. Der obesssive Martin sprengte das SP-Team beinahe in die Luft. Swoboda, der spätere Spitzenmann der Sozialdemokraten in Straßburg, wurde von den Roten in Wien jahrelang ignoriert, musste auch bei den EU-Wahlen 2009 lange bangen, ob er als Listenerster aufgestellt wird. Schon damals hatte Faymann – inzwischen Kanzler und SPÖ-Chef – nach einem attraktiven Quereinsteiger suchen lassen, aber keinen gefunden.

Es rächt sich, dass sich die die österreichischen Sozialdemokraten in "Normalzeiten" zwischen den Wahlen alle fünf Jahre kaum für Europathemen erwärmen, jenseits der notwendigen Regierungspolitik. Vor allem die traditionell EU-skeptischen Gewerkschaften fremdeln mit der Europapolitik. Es ist auch kein Zufall, wenn Ex-Klubchef Josef Cap oder Parteigeschäftsführerin Laura Rudas seit den Europawahlen 2009 kein einziges mal offiziell in Brüssel gesehen wurden. Sie sind die personifizierte Europa-Ignoranz der SPÖ. So etwas kann man nicht in wenigen Wochen durch hektische Suche nach attraktiven Kandidaten kaschieren. (Thomas Mayer, derStandard.at, 11.1.2014)