Das Gedenkjahr hat begonnen, es häufen sich die Rückblicke, Analysen und Bildbände zu 1914, manches eilig zusammengestellt, anderes von langer Hand vorbereitet. Der Journalist, Fotograf und Autor Joe Heydecker begann bereits in den Achtzigerjahren ein umfangreiches Werk zum Ersten Weltkrieg.

Mit dokumentarischem Impetus, den er auch in anderen Tätigkeiten zeigte - als Wehrmachtsfotograf hatte er heimlich das Warschauer Ghetto aufgenommen und darüber in Nürnberg ausgesagt -, forstete er hauptsächlich zeitgenössische Dokumente durch, wollte aber "nicht für Fachgelehrte, sondern für Leser von heute" schreiben. 1997, im Jahr seines Todes, erschien das umfangreiche Ergebnis seiner Recherchen bei Ullstein: "Der große Krieg 1914-1918. Von Sarajewo bis Versailles".

Das Buch ist vergriffen, doch nun wurde es als E-Book wohlfeil neu aufgelegt. Es füllt tatsächlich eine Lücke zwischen fußnotenschwerem Historikerapparat und allzu flottem Überblick. Heydecker geht dort in Details, wo es dem Verständnis dient, etwa bei Grotesken der Militärjustiz oder den komplizierten Verhandlungen in Versailles. Zugleich wahrt er die nötige Distanz, die erst einen sachlichen Zugang ermöglicht. Das Resümee - "Urkatastrophe" - ist nicht neu, die Darstellung aber ein Lesegewinn. (Michael Freund/DER STANDARD, 11.1.2014)