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Öl als Segen statt als Fluch: Norwegen hat mit Disziplin die "holländische Krankheit" vermieden.

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Oslo/Wien - In Norwegen hat ein ganzes Land in der Lotterie gewonnen. Jeder, der laut norwegischem Statistikamt 5.096.300 Einwohner ist - zumindest theoretisch - Millionär. Denn der norwegische Staatsfonds, in dem die Einnahmen der Ölbranche veranlagt werden, verfügt mittlerweile über ein Vermögen von über 5,1 Billionen norwegische Kronen (NOK). Das macht mehr als eine Million NOK pro Kopf. Umgerechnet verwaltet der Fonds über 600 Milliarden Euro. Das Geldvermögen der über acht Millionen Österreicher beträgt zum Vergleich laut Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank 531 Milliarden Euro.

Dass Norwegen mit Öl ein derart reiches Industrieland geworden ist, ist aber eher die Ausnahme als die Regel. Ökonomen warnten seit Jahrzehnten vor dem "Resource Curse", dem "Fluch der Rohstoffe". "Länder mit wertvollen Rohstoffvorkommen haben sich immer wieder sehr schlecht entwickelt, sowohl politisch als auch wirtschaftlich", sagt Steinar Holden, Professor für Makro- und Geldpolitik an der Universität Oslo. Das gelte etwa für arabische oder afrikanische Länder mit großen Rohstoffvermögen. Denn auch volkswirtschaftlich sind Rohstoffe immer wieder Fluch statt Segen für Ökonomien. Als 1959 große Erdgasvorkommen in den Niederlanden gefunden wurden, läutete das den Niedergang der Industrie ein.

"Wenn die Einnahmen aus dem Ölverkauf sofort in der Wirtschaft investiert werden und zu einem Boom führen, dann kommt es oft zu Inflation, steigenden Lohnkosten und der Aufwertung der Währung", so Holden. Damit würde aber die Wirtschaft außerhalb des Rohstoffsektors ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Dieses Phänomen ist nach dem niederländischen Beispiel als "holländische Krankheit" bekannt.

In Norwegen selbst aber habe es einen besonderen Konsens von Politik und Gesellschaft gegeben, keine Wahlgeschenke mit dem Ölreichtum zu finanzieren, lobt Holden, auch wenn daran "regelmäßig gerüttelt" werde. Eine Budgetregel sieht vor, dass maximal vier Prozent des Fonds in den jährlichen Staatshaushalt fließen dürfen. Doch es gibt auch einen anderen Grund für Norwegens Erfolg: das "Norway Model".

Drei renommierte Investmentforscher haben das "Modell Norwegen" wissenschaftlich unter die Lupe genommen: David Chambers von der University of Cambridge, Elroy Dimson von der London Business School und Antti Ilmanen, Direktor beim Hedgefonds AQR und Berater des norwegischen Staatsfonds. Ihr Ergebnis: Der Fonds sei "ein Musterbeispiel für Anleger weltweit".

Aktien, günstig und gestreut

Doch wie legt der 600 Milliarden Euro große staatliche Fonds an? Angesiedelt in der Nordes Bank, Norwegens Zentralbank, hat der Fonds drei strategischer Vorgaben: Erstens investiert er viel Geld in Aktien. 60 Prozent des staatlichen Vermögens werden in Aktien, knapp 39 Prozent in Anleihen und knapp ein Prozent in Immobilien investiert. "Der Fonds ist sehr langfristig orientiert, damit macht ein hoher Aktienanteil Sinn", sagt Holden. Zweitens streut der Fonds seine Investments global und geht keine großen Wetten ein, wie etwa arabische Fonds, die in der Finanzkrise aggressiv Bankaktien gekauft haben. Norwegens Fonds hält hunderte Aktien weltweit, im Schnitt etwa 1,7 Prozent an den in Europa notierten Unternehmen.

Auch in Österreich ist der Staatsfonds aktiv. Per Jahresende 2012 hatten die Norweger in vielen österreichischen Unternehmen Anteile, von 2,07 Prozent bei der Erste Group bis zu 4,2 Prozent bei der Voestalpine. Norwegens Staatsfonds ist auch ein wichtiger Gläubiger der Republik, mit knapp 1,46 Mrd. Euro an heimischen Staatsanleihen.

Ein weiterer Grund für den Anlageerfolg: Oslo investiert günstig. Die Verwaltung des norwegischen Vermögens wird so billig wie möglich bewerkstelligt. Insgesamt gibt der Staatsfonds gerade 0,07 Prozent im Jahr an Managementgebühren für sein riesiges Vermögen aus. Wer einmal in einen Fonds investiert hat, weiß, dass für Privatanleger auch das 20-Fache pro Jahr üblich ist. Laufende Kosten von 1,5 Prozent pro Jahr bei Aktienfonds sind keine Seltenheit. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 11.1.2014)