Wien – Für Hermann Nitschs riesiges Schüttbild voll blutigroter Bahnen ist kein Platz im 17. Stock der News-Gruppe. Als Horst Pirker Vorstandschef der Styria war, hing das eindrucksvolle Werk aus seinem Privatbesitz über Pirkers Besprechungstisch.
Die Medienbranche neigt bei Jobkürzungen zu dramatischen Bildern vom Blutbad. Von Dutzenden Redakteuren und Mitarbeitern wollte sich die News-Gruppe zuletzt trennen. Insbesondere beim angeschlagenen News, mit dem die Brüder Fellner 1992 Österreichs längst marktbeherrschenden Magazinverlag begannen. Sie setzen ihre nachdrücklichen Verkaufsmethoden längst für ihr Österreich und dessen Magazine ein, machen der News-Gruppe Konkurrenz. Das Digitalgeschäft des Magazinriesen geriet ins Hintertreffen. Umsätze sanken, und auch die Ergebnisse: von 20 Millionen 2011 auf 12,6 Millionen und 2013 "dramatisch" weiter, heißt es im Umfeld der Gesellschafter.
Verkauf "kein Thema"
Die Sparmaßnahmen muss Axel Bogocz, seit Herbst 2011 Boss der Verlagsgruppe, nicht mehr umsetzen. Mehrheitseigner Gruner + Jahr, Magazintochter von Bertelsmann, verkündete Horst Pirker (54) am Freitag offiziell als neuen Herausgeber und Vorsitzenden der Geschäftsführung. Das bestätigte die STANDARD-Berichte zum Engagement des Exchefs der Styria ("Kleine Zeitung", "Die Presse"), des Red Bull Media House und zuletzt des Entsorgungskonzerns Saubermacher. Entsorgung ist hier nicht Pirkers Aufgabe, auch wenn über Abverkauf spekuliert wurde. Bei Gruner + Jahr heißt es, man holte Pirker für "Kreativität im Management", als "Signal, die Verlagsgruppe wieder nach vorne zu bringen". Verkauf – wie in anderen Märkten – sei "kein Thema".
Der Magazinkonzern braucht wohl, was Pirker in Graz als Professor für angewandte Betriebswirtschaft lehrt: Strategie. Pirker will das News-Medienportfolio „angesichts der Digitalisierung neu interpretieren" und "offensiv". Das versucht auch die Hamburger Mutter unter der neuen Vorstandschefin Julia Jäkel. Sie will "radikal" und "plattformneutral" vom Denken "in Print oder online wegkommen".
Keine Geldfrage
Das Großprojekt, einen printgetriebenen Verlag in ein digitales Medienhaus umzubauen, ist wohl auch ein wesentlicher Antrieb für Pirker, die "herausfordernde" Aufgabe bei News anzugehen. Das durchaus ordentliche Salär dürfte nicht den Ausschlag gegeben haben: Pirkers Abfertigung bei der Styria, das Jahr bei Dietrich Mateschitz, eigene Immobilienprojekte und Investments, Beratung im Umfeld deutscher Medienkonzerne und zuletzt der Vorstandsvorsitz bei Saubermacher sollten auch ohne den News-Job für ein ordentliches Auskommen sorgen.
Nach Branchenschätzungen können News-Chefs gemeinhin mit rund 350.000 bis 400.000 Euro Grundbezug plus 50 Prozent Erfolgskomponente rechnen. Der stark verkaufs- und ergebnisorientierte Oliver Voigt, Vorvorvorgänger Pirkers an der News-Spitze und heute Geschäftsführer der Mediengruppe um "Österreich", wurde auf 600.000 bis 700.000 im Jahr geschätzt.
Österreichs Medienbranche, Pirkers langjährige Bühne, die er als Styria-Chef mit Hang zu teils drastischen Aussagen (auch über seine künftigen Mitgesellschafter Fellner) und Visionen mit prägte, dürfte ihm durchaus gefehlt haben. Die Führung des größten Magazinverlags bringt ihn zurück in dieses Forum.
Jurist Pirker schrieb 2007 seine zweite – bis heuer gesperrte – betriebswirtschaftliche Doktorarbeit über die multimediale Zukunft von (Zeitungs-)Verlagen. Bei der Styria brachte er seine strategischen Überlegungen nicht (mehr) in die Umsetzung. Nun bekommt er eine neue Gelegenheit dazu.
Keine Beteiligung
Pirkers gut ein Jahrzehnt ausgearbeitetes Modell der Redaktion als "Content Engine", die Inhalte auf vielen multimedialen Plattformen ausspielt, passt da gut. Womöglich kann Pirker ja auch den Hamburgern beim Umbau helfen. Vielleicht bedanken sie sich später mit ein paar Prozenten an der News-Gruppe – derzeit ist offiziell keine Beteiligung Pirkers vorgesehen. Die Fellners wollen ihre 18,7 Prozent "sicher nicht" hergeben, auch für die 25,3 des Kurier ist das unwahrscheinlich.
Pirkers neues Büro überschaut den News-Hauptmarkt Wien. Gleich nebenan leuchtet über ihm statt Blut Pipilotti Rists knallbunte Decke des Sofitel.
Nitschs hat Pirker inzwischen in der Medecco untergebracht, der kleinen Magazingruppe um "Architektur Aktuell", "Parnass" und "Datum", die Pirker erst 2013 als Financier mit Reinhold Gmeinbauer (früher "Presse") gegründet hat. (Harald Fidler, DER STANDARD, 11./12.1.2014, online ergänzt)