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Gedankenexperiment "weißer Schwan": Statt den klassischen "schwarzen Schwan" als Zusammentreffen vieler Katastrophen in der Zukunft anzunehmen, wäre ein positives Zukunftsbild hilfreich.

Foto: AP/dapd/Welz

Extreme unerwartete Vorkommnisse, die radikale Zerstörung zur Folge haben, sind seit Nassim Talebs Buch "Black Swan" unter diesem Synonym abgespeichert. Solche Wahrscheinlichkeiten negativer "Events" sind (etwa für die Versicherungsindustrie) in mathematische Formeln gegossen, beschäftigen ganze Beraterstäbe und prägen die Zukunftsbilder: Nahrungsmittelkrise, Zerstörung des Planeten, Zusammenbruch der Wasserversorgung, kompletter Shutdown des Finanzsystems, soziales Chaos. Sich aus den tägliche Nachrichten Black Swans als Ende der menschlichen Zivilisationsgeschichte zusammenzureimen liegt auch nahe.

Mögliche Überraschungen

Das Zukunftsinstitut (Matthias Horx und Harry Gatterer) hält in seinem jüngsten "Trend Report 2014" dagegen. Und zwar mit einem weißen Schwan. In einer Art "Presencing" (nach Claus Otto Scharmer) beschreiben Horx und Gatterer Bilder bewältigter Krisen - von der Überbevölkerung, dem Hunger bis zur Welt in Frieden. Dabei häkeln sie ihre Weißschwan-Zukunft aus bestehenden Entwicklungen, die "unsere Welt unerwartet und leise" verbessern. Denn, so Horx im Vorwort: "Was könnte uns in Sachen Zukunft mehr überraschen als das Gelingen? Als das Lösen von Problemen, die unlösbar scheinen?"

Zweck der Übung ist das Abgehen von der konzentrierten Aufmerksamkeit für "Auguren des Untergangs, mediale Niedergangstheoretiker", um graduellen Fortschritt, stetige Verbesserung überhaupt wahrnehmen und dann durch persönlichen Beitrag mehren zu können.

Natürlich werde im gängigen Modell "negativer Komplexität" die Welt immer komplizierter und krisenanfälliger. Im Gegenmodell aber zu höheren Ebenen von Emergenz, Selbstorganisation und Resilienz. Krisen könnten demnach nicht der Anfang vom sicheren Ende, sondern Trainer für intelligentere Antworten sein. Horx wäre nicht Horx, hätte er nicht auch schon das Wording kreiert: "Possibilismus statt Black-Swan-Denken".

Frage des Glaubens

Wie wahrscheinlich der weiße Schwan sei? Die Antwort hänge vom Weltmodell ab - also letztlich eigentlich vom Glauben. An diesen appellieren die Szenarien der Zukunft im "Trend Report", etwa jenes aus dem Jahr 2100, das nach dem "Car-Peak mit weltweit zwei Milliarden Autos" ansetzt und in der Realität des emissionsfreien Fahrens ankommt. Biotreibstoffbetriebene Hyperplanes haben längst konventionelle E-Autos ersetzt, Energie ist nicht mehr die Frage, weil ja die Erneuerbaren (Sonne etc.) seit Jahrzehnten für Überschüsse auch in den sich selbst ernährenden Städten sorgen.

Die Weltbevölkerung ist zu diesem Zeitpunkt übrigens längst wieder im Schrumpfen, und: Familienarbeit bringt lange schon höchstes soziales Ansehen. Europa ist zur sanften Supermacht des Planeten und Afrika tatsächlich zu einem "Gewinner des 21. Jahrhunderts" geworden. Gerade weil der angestiegene Meeresspiegel Holland gewässert hat, ist dort eine weltweit vorbildliche Resilienz-Industrie entstanden - 2013 etwa hat ein solches Unternehmen in Bangladesch eines der größten "Terraforming" -Projekte realisiert. Mit Fluten und Strömungsanlagen kennt sich keiner besser aus.

Und der Weg zum Weltfrieden? Diese Zukunftsgeschichte entspinnt sich entlang fortschreitender Demokratisierung und demokratischer Reifeprozesse. Die Kriminalitätsraten sind indes gesunken - unter anderem durch "teilweise Entkriminalisierung von Drogen". Krankheiten wie Aids, Malaria, Alzheimer sind nahezu besiegt, Krebs ist nicht mehr tödlich.

Kopfschütteln über das hippe Wording der Zukunftsforscher ist sicher zulässig, ignorieren lassen sich die Bilder des weißen Schwans allerdings nicht. Und für Firmenstrategen sind sie eine gute Denkübung für positives Führungsverhalten. (Karin Bauer, DER STANDARD, 11./12.1.2014)