"In der Regel wird bei jungen Frauen schon doppelt hingeschaut - und sie müssen auch das Doppelte leisten, um voranzukommen", sagt Sonja Steßl.

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STANDARD: Auf Ihrer Facebookseite findet man Fotos von Feuerwehr-, Trachten- und Kürbisfesten, aber keinerlei Hinweise auf finanzpolitische Aktivitäten. Was qualifiziert Sie für Ihr Regierungsamt?

Steßl: Der Bürgerkontakt ist mir eben wichtig - und in der Oststeiermark gehört da ein Kürbisfest einfach dazu. Aber ich war schon auch vier Jahre im Nationalrat, unter anderem im Budgetausschuss, tätig. Jahrzehntelange Finanzerfahrung kann ich mit 32 Jahren natürlich nicht vorweisen.

STANDARD: Spielt Fachkenntnis gar keine Rolle? In der Politik zählt offenbar vieles andere - von der Herkunft bis zur Seilschaft - mehr.

Steßl: Das ist schon möglich. Doch ich wäre nicht unbedingt qualifizierter, wenn ich eine betriebswirtschaftliche Ausbildung hätte. Für Detailfragen habe ich ein tolles Team, sehr gute Beamte - meine Aufgabe ist das Management politischer Prozesse.

STANDARD: Sie gelten als rote Aufpasserin für den schwarzen Finanzminister: Gefällt Ihnen diese Rollenzuschreibung?

Steßl: Dieser Stempel ist nicht falsch, schließlich werden alle Gesetzesentwürfe auch durch mein Büro gehen - und ich werde sie etwa auf soziale Gerechtigkeit und die Auswirkungen auf Frauen und junge Menschen überprüfen.

STANDARD: Haben Sie eine Mission?

Steßl: Keine "Mission Impossible", wenn sie darauf anspielen. Steuerreform, Budget, Bankenfrage: Meine Handlungsanleitung ist das Regierungsprogramm.

STANDARD: Das steht aber nicht viel drinnen - zum Beispiel nicht, wie die Regierung den Konsolidierungsbedarf im Budget decken will. Ist es redlich, die Bevölkerung im Dunkeln zu lassen?

Steßl: Wir wollen eben keinen rücksichtslosen Sparkurs wie in anderen EU-Ländern, sondern das Defizit kontinuierlich abbauen und gleichzeitig mit Investitionen die Wirtschaft stimulieren. Jetzt werden beispielsweise ein Steuerpaket geschnürt, die Ermessensausgaben gekürzt, Maßnahmen für eine höheres Pensionsantrittsalter gesetzt. Ich rechne damit, dass wir das strukturelle Nulldefizit 2016 erreichen.

STANDARD: Aber wie? Was im Programm steht, reicht für die fehlenden 18 Milliarden nie aus.

Steßl: Sie werden mich nicht auf die 18 Milliarden festnageln, das war eine Prognose. Kein Mensch kann hellsehen, wie sich die Wirtschaft wirklich entwickelt. Die einzelnen Ressorts werden ihre Beiträge zu leisten haben - und Pläne bei der kommenden Regierungsklausur präsentieren.

STANDARD: Die SPÖ hat für Verteilungsgerechtigkeit getrommelt: Wo ist die im Regierungsprogramm?

Steßl: Dieses entspricht ja nicht zu hundert Prozent dem SPÖ-Wahlprogramm ...

STANDARD: ... aber dem, was letztlich passieren soll.

Steßl: Es wird die sozialdemokratische Handschrift zu finden sein, wenn wir für eine Steuerreform den budgetären Spielraum haben - auf gut Deutsch: wenn es sich ausgeht.

STANDARD: Spielraum? Die SPÖ hat stets ein kostenneutrales Modell mit Gegenfinanzierung propagiert. Warum hat sie bei den Verhandlungen so schnell nachgegeben?

Steßl: Das ist eben ein pragmatisches Arbeitsprogramm, auf das sich zwei Parteien einigen mussten. Aber auch im letzten Programm stand einiges nicht drinnen, was dann trotzdem gekommen ist - etwa die Bankenabgabe. Also gilt auch für die Millionärssteuer: Sag niemals nie!

STANDARD: Warum vertritt die SPÖ ein Steuerreformkonzept, von dem Schlechtverdiener nichts haben?

Steßl: Wie meinen Sie das?

STANDARD: Von einer Senkung der Lohn- und Einkommensteuer haben jene 1,3 Millionen Arbeitnehmer nichts, die so wenig verdienen, dass sie diese Steuern nicht zahlen - sehr wohl aber andere Abgaben. Ist so ein Konzept denn gerecht?

Steßl: Wir werden uns mit diesen Fragen auseinandersetzen. Deshalb wird mit Ende Jänner ja eine kleine, aber feine Steuerreformkommission die Arbeit aufnehmen. Dabei geht es nicht nur um die Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Lohnsteuer, es gibt ein ganzes Bündel an Dingen, die man umgestalten könnte.

STANDARD: Zu Ihrer dritten Priorität, den Banken: Wird es für die Hypo Alpe Adria eine Bad Bank als Deponie für faule Kredite geben?

Steßl: Die Bad Bank ist für mich eine Möglichkeit, ich will aber erst den Endbericht der Hypo-Taskforce abwarten. Ausschließen kann ich, dass die Hypo in Konkurs geschickt wird - denn ein solcher wäre unsteuerbar. Kein Mensch könnte die Folgen abschätzen, wenn Kärnten wegen seiner Haftungen pleitegehen würde.

STANDARD: Ex-Aufsichtsratschef Johannes Ditz sagt, dass es die Bad Bank längst geben müsste und die falsche Reaktion der Politik den Steuerzahlern Milliarden koste. Hat die frühere Finanzministerin Maria Fekter versagt - und die SPÖ tatenlos zugesehen?

Steßl: Ich will das Werkl in den nächsten Monaten zum Funktionieren bringen - und nicht in der Vergangenheit herumrühren. Klar ist aber schon auch: Ursache des Problems war die verantwortungslose Politik im Land Kärnten.

STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie zur SPÖ gebracht?

Steßl: Die schwarz-blaue Regierung, die während meines Jus-Studiums etwa die Studiengebühren eingeführt hat, und der Einsatz der SPÖ für Gleichberechtigung der Frauen.

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, weniger ernst genommen zu werden, weil Sie eine junge Frau sind?

Steßl: Nicht im Finanzministerium, aber in der Regel wird bei jungen Frauen schon doppelt hingeschaut, wie kompetent sie sind - und sie müssen auch das Doppelte leisten, um voranzukommen. Oft finde ich es aber gar nicht schlecht, unterschätzt zu werden. Wer mich kennenlernt, wird merken: Ich bin nicht nur blond. (Gerald John, DER STANDARD, 10.1.2014)