Mit dem Jollaphone gibt es nun das erste Smartphone mit dem inoffiziellen MeeGo-Nachfolger Sailfish OS.

 

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Das Design des Jollaphones ist bewusst schlicht gehalten.

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Die beiden farblichen Ebenen des Geräts sind in der Seitenansicht gut zu erkennen.

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Der Homescreen von Sailfish OS (links) und die App-Übersicht die einen Swipe darunter zu finden ist.

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Der schlicht gehaltene Lock-Screen. Am oberen Bildschirmrand wird dabei dezent das Vorhandensein von Menüoptionen angedeutet. Die Farbe der dabei verwendeten Highlights wird über das jeweils gewählt "Ambiente" festgelegt, eine Art Theme, das sich auch um das Hintergrundbild kümmert.

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Der App-Store von Jolla bietet derzeit noch nicht sonderlich viel, auch ist er relativ unübersichtlich.

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Zwei der von Jolla selbst entwickelten Anwendungen: Die auf Nokia Here basierende Karten-App (links) und die Galerie.

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Zwei weitere Jolla-Anwendungen: Der Media-Player und die Kamera, die diverse Optionen bietet

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Apropos Kamera: Über deren Qualitäten sollte besser der Mantel des Schweigens gelegt werden.

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Alternativ zu Sailfish-Anwendungen können auch Android-Apps genutzt werden. Dazu lässt sich der alternative App Store Yandex installieren.

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Der Jolla Browser ist etwas gar schlicht geraten. Besser bedient ist man mit einem der Android-Browser wie Opera, Dolphin oder Firefox.

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Für die Kernzielgruppe wohl besonders interessant. Sailfish OS bietet einen Entwicklungsmodus samt Terminal, SSH-Server und vollständigem Root-Zugang.

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Es war wohl eine der großen verpassten Chancen der Smartphone-Geschichte: Bereits 2005 hatte Nokia mit Maemo die Entwicklung eines eigenen mobilen Linux mit dem Fokus auf Touch-Nutzung gestartet - und damit Jahre bevor iOS oder Android auf den Markt kamen. Doch anstatt voll und ganz in dieses neue System zu investieren, blieb das Ganze nur ein Seitenprojekt, der strategische Fokus verharrte auf Symbian - mit dem bekannten Ausgang.

MeeGo

Da nutzte auch die später hinzugekommene Zusammenarbeit mit Intel unter dem gemeinsamen MeeGo-Dach nur mehr wenig. Insofern ist es durchaus bezeichnend, dass das erste wirklich massentaugliche Maemo/MeeGo-Smartphone erst zu einem Zeitpunkt auf den Markt kam, als die Zukunft des Betriebssystems bei Nokia längst besiegelt war. Als das N9 im Sommer 2011 veröffentlicht wurde, hatte sich das Unternehmen längst in die Arme von Microsoft und dessen Windows Phone geworfen.

Auftritt: Jolla

Dass die Geschichte von MeeGo an dieser Stelle nicht einfach endet, liegt an der Beharrlichkeit der dahinter stehenden Entwickler_innen. Hat sich doch ein Teil davon rasch nach Verkündung des Microsoft-Deals von Nokia verabschiedet, und mit Jolla ein eigenes Unternehmen ins Leben gerufen. Dessen Ziel: Mit Sailfish OS eine Art inoffiziellen MeeGo-Nachfolger zu kreieren, und natürlich darauf basierende Smartphones auf den Markt zu bringen.

Jollaphone

Ende 2013 war es dann soweit: Finanziert durch mehrere tausend Vorbestellungen kam die erste Charge des Jollaphone auf den Markt. Eine Art Vorzeigegerät, das um 399 Euro direkt über die Webseite des Herstellers verkauft wird, und den Startschuss für zahlreiche weitere Sailfish-OS-Geräte von unterschiedlichen Herstellern geben soll - so zumindest die Hoffnung bei Jolla.  Mittlerweile hat auch der WebStandard das neue Smartphone in die Hände bekommen, und einer ausführlichen Betrachtung unterzogen.

Testschwerpunkt

Eines gleich vorweg: Der Fokus des Test soll auf die Software gelegt werden, handelt es sich hierbei doch um eine - mehr oder weniger - neue Smartphoneplattform. Es gibt aber noch einen anderen Grund: Die Hardware des Jollaphone hat wenig Herausragendes zu bieten. Der 4,5-Zoll-Bildschirm weist eine Auflösung von 960 x 540 Pixel auf, was zwar ausreichend ist, aber mit aktuellen Smartphones anderer Hersteller nicht nicht mehr ganz mithalten kann. Dies zeigt sich etwa bei der Schriftendarstellung recht deutlich, nicht zuletzt bei kleinen Größen, wie sie beispielsweise am Homescreen von Sailfish OS zum Einsatz kommen.

Hardware

Ebenfalls im Mittelfeld aktueller Geräte ist der Snapdragon 400-Dual-Core-Prozessor mit 1,4 GHz angesiedelt, dem 1 GB RAM zur Seite steht. Freilich muss angemerkt werden, dass dies für die meisten Aufgaben mittlerweile auch bei weitem ausreichend ist. Wenig positives gibt es hingegen zur 8-Megapixel-Kamera zu sagen. Diese produziert sogar bei guter Beleuchtung ein deutliches Rauschen in den Aufnahmen. Bei schlechten Lichtverhältnissen tendieren die Bilder leider in Richtung kaum brauchbar. In Summe ist die Kamera ein bis zwei Generationen hinter aktuellen Top-Smartphones anzusiedeln.

Kamerabeschränkungen

Eine kleine Bemerkung am Rande: In der Default-Einstellung nimmt die Kamera Fotos "nur" mit 6 Megapixel auf. Erst wer das Seitenverhältnis von 16:9 auf 4:3 wechselt bekommt die volle Auflösung geboten. Und noch eine weitere Seltsamkeit: Entgegen den Behauptungen auf der Herstellerseite liefert die Frontkamera nur 1 statt 2 Megapixel.

Speicherplatz

Es gibt 16 GB internen Speicherplatz, der jedoch per MicroSD-Karte um bis zu 32 GB erweitert werden kann. (Wenn die Karte vorher auf ein Linux-Dateisystem formatiert wird lassen sich sogar 64 GB nutzen, Anm.) Der Akku ist mit 2.100 mAh spezifiziert, was an sich ausreichend sein sollte. Dass das Jollaphone derzeit trotzdem eine eher unterdurchschnittliche Laufzeit produziert, soll an einem Softwarefehler liegen, an dessen Behebung laut dem Hersteller aktuell gearbeitet wird. Erfreulich ist hingegen, dass der Akku austauschbar ist, was ja mittlerweile bereits zu etwas Außergewöhnlichem geworden ist.

Verbindlich

Für die Verbindung nach außen wird WLAN 802.11 b/g/n unterstützt. Bluetooth 4.0 EDR HS gibt es ebenso wie die üblichen 2G/3G-Bänder für mobile Datennetze. Rein theoretisch soll das Jollaphone sogar LTE unterstützen, dieses Feature ist aus Stabilitätsgründen derzeit aber noch nicht aktiviert. Nach einem entsprechenden Update sollte dies dann aber auch in Österreich funktionieren, da zu den unterstützen Bändern auch jenes (Band 7) gehört, das hierzulande bisher für LTE genutzt wird.

Speziell

Eine interessante Ausnahme von der durchschnittlichen Ausstattung gibt es dann aber doch: Unter dem Namen "The Other Half" versucht sich Jolla an einem Konzept zur modularen Hardwareerweiterung. So sind unter der Rückabdeckung Kontakte zum Anschluss externer Peripherie angebracht. Dadurch ist es etwa möglich, neue Rückplatten auszuliefern, die das Hintergrundbild verändern oder exklusive Inhalte wie ein Album zur Verfügung stellen. Aber auch wesentlich ambitioniertere Projekte, wären über diese Schnittstelle denkbar - wie etwa eine Hardwaretastatur. Jolla will zu diesem Zweck künftig eigene Programmierschnittstellen (APIs) für Dritthersteller offenlegen, bleibt abzuwarten, was die Community dann alles rund um dieses Feature bastelt.

Design

Rein äußerlich gibt sich das Jollaphone - wie so viele andere aktuelle Smartphones - sehr reduziert. Die Vorderseite ist ganz in Schwarz gehalten, die Rückseite in Weiß, das Design erzeugt oberflächlich betrachtet den Eindruck als wären zwei Platten aufeinander gepresst worden. Sonst gibt es wenig sofort erkennbare Elemente: Mikro-USB und Kopfhörerstecker an der Oberseite, Lautsprecher und Mikrofon an der Unterseite, Lautstärkeregler und Ein/Aus-Knopf rechts - das war es dann auch schon. Rückseitig kommen natürlich noch die Aussparungen für Kamera und Blitzlicht hinzu.

Sailfish OS

Steuerknöpfe gibt es hingegen keinerlei, was vor allem daran liegt, dass Sailfish OS ganz auf eine gestenbasierte Steuerung setzt. Dies war zwar auch schon beim Nokia N9 und dessen MeeGo-System so, da die Oberfläche im Gegensatz zum Kernsystem nicht unter einer freien Lizenz stand, musste das User Interface für das Jollaphone trotzdem wieder neu gestaltet werden.

User-Interface-Konzepte

Die grundlegenden Prinzipien werden dabei bei der ersten Nutzung erläutert: Eine Wischgeste vom äußersten linken oder rechten Rand minimiert die im Vordergrund laufende App und kehrt auf den Homescreen zurück. Dort findet sich eine Überblicksansicht von bis zu 9 aktuell geöffneten Apps, zudem ist eine Reihe von vier App-Icons am unteren Bildschirmrand angebracht. Scrollt man hier weiter nach unten, werden sämtliche installierten Anwendungen dargestellt. Nach einem Langdruck auf ein Icon kann diese Liste nach Belieben umsortiert werden, auch die Deinstallation ist auf diesem Weg schnell vorgenommen.

Swipe

Sind bei einer App Menüoptionen verfügbar, wird dies am oberen Bildschirmrand leicht angedeutet, ein Swipe von oben nach unten bringt dann den Zugriff auf diese. Startet man die selbe Bewegung ganz vom Bildschirmrand aus, wird hingegen die betreffende App geschlossen. Aktuelle Benachrichtigungen können wiederum mit einer Wischgeste vom unteren Bildschirmrand nach oben dargestellt werden. Das Vor- und Zurück innerhalb einer App wird über einfache links/rechts Wischbewegungen vorgenommen (also ohne vom äußersten Rand zu starten). All dies braucht etwas Eingewöhnungszeit, geht aber tatsächlich recht bald flott von der Hand.

Vermischtes

Drei kleine Details noch: Am Lockscreen gibt es über das Menü einen Schnellzugriff auf Kamera und Telefonie. Außerdem kann das Telefon durch eine Doppel-Touch auf den Bildschirm aufgeweckt werden. Eine nützliche Funktion, die zuerst beim Nokia N9 zu sehen war. Und statt einfachen Bildschirmhintergründen lassen sich verschiedene "Ambiente" festlegen, die auch über Highlight- und Schriftfarbe entscheiden.

Einschätzung

Die Performance der Oberfläche darf als "gut" bezeichnet werden. Die Kernfunktionen laufen weitgehend flink ab, auch wenn nicht gar so "butterweich" wie bei manch anderem System. Auch gehören die App-Startzeiten nicht unbedingt zu den schnellsten - was aber alles zu einem guten Teil an der verwendeten Hardware liegen mag.

Softwareausstattung

Von Haus aus liefert Sailfish OS derzeit nur sehr wenige Anwendung mit: Telefonie, SMS, Browser, Kamera, Kontakte, Galerie und Einstellungen - das war es zunächst schon mal. Weitere Software gibt es über den Jolla Store, der auch eine eigene Kategorie mit Jolla-eigenen Apps enthält. Auf diese Weise lassen sich dann schnell diverse "Basics" wie Kartenanwendung, Kalender, Notizblock, Uhr/Wecker, Multimedia-Player, und Mail-Client nachrüsten. Letzter dann übrigens optional auch mit Exchange-Anbindung und Google-Support. Sinnvollerweise wird diese Liste an Jolla-eigenen Apps auch gleich bei der ersten Einrichtung des Geräts zur Installation empfohlen.

Spartanisch

Die meisten der Kern-Apps sind bislang eher schlicht gehalten, was bei manchen durchaus sinnvoll ist - etwa Kamera oder Notizblock - bei anderen weniger. So unterstützt etwa der auf der Mozilla-Rendering-Engine basierende Browser derzeit nicht einmal eine Queransicht. Nett ist hingegen die auf Nokia Here basierende Kartenanwendung, die auch interessante Orte in der Umgebung aufspüren und Routen dorthin planen kann. Weniger positiv fiel hingegen auf, dass die App zunächst keine sinnvolle Positionierung anbot - und zwar ohne jegliche Warnhinweise. Wie sich herausstellte, muss die Lokalisierung per GPS und Co. erst manuell in den Einstellungen erlaubt werden.

Einstellungsfrage

Apropos Einstellungen: Wie Apple bei seinem iOS bietet auch Sailfish OS neben den Systemeinstellungen alle Optionen für installierte Apps an zentraler Stelle. Darüber hinaus gibt es diverse Schnelleinstellungen über die rasch Datenverbindungen einzeln (de)aktiviert werden können, oder in den Flugzeugmodus gewechselt werden kann. Der Datenaustausch mit einem Computer erfolgt per USB, wobei sich Sailfish OS des auch bei Android gebräuchlichen MTP-Protokolls bedient.

Softwareladen

Zurück zum vorher nur kurz angerissenen Jolla Store, immerhin ist dieser das Fenster in die weitere Softwarewelt. Dessen Angebot darf derzeit getrost als "überschaubar" bezeichnet werden, in manchen der gelisteten Kategorien finden sich nur recht wenige Einträge. Bis es mehr werden, sollte Jolla aber besser noch einmal am Design seines Stores feilen, die Oberfläche ist schon jetzt wenig übersichtlich, mischt etwa Apps und Kommentare.

Android

Da Jolla durchaus bekannt ist, dass sich so ein neues Softwareökosystem nicht so einfach frisch aus dem Boden stampfen lässt, gibt es eine weitere Alternative. Sailfish OS kann nämlich Android-Apps nutzen, zu diesem Zweck lässt sich die alternative Android-Runtime "Alien Dalvik" nachinstallieren. Dazu passend ist auch der russische Yandex-Store für Android-Apps mit im Angebot. Dieser bietet zwar nicht ganz die Vielfalt des Google Play Stores, unter den 85.000 Apps finden sich aber viele Klassiker von Skype und Firefox bis zu Spielen wie Cut the Rope und Angry Birds.

Google

Wem das nicht reicht - etwa weil dort sämtliche Google-Apps fehlen - der darf sich noch daran versuchen, den offiziellen Play Store auf das Jollaphone zu bringen, was allerdings mit einiger Bastelei verbunden ist. Alternativ lassen sich auch Android-Pakete (APKs) direkt installieren, so man denn eine vertrauenswürdige Quelle für diese gefunden hat. Alle Android-Apps laufen übrigens getrennt vom restlichen System in einer "Sandbox".

Flink

Wie immer bei solchen Lösungen kann es natürlich sein, dass die eine oder andere App Probleme bereitet, im Test zeigte sich die Nutzung von Android-Apps unter Sailfish OS aber als - zumindest im Kern - erfreulich ausgereift. Vor allem war kein merklicher Performance-Unterschied zu nativen Anwendungen zu bemerken.

Defizite

Im Detail gibt es aber trotzdem noch einiges zu verbessern: So werden derzeit alle laufenden Android-Apps in einen einzigen Eintrag am Sailfish-Homescreen zusammengefasst. Die weitere Auswahl erfolgt dann über den Android-Task-Switcher, der als Teil der On-Screen-Navigation unter den Android-Apps dargestellt wird. Eine etwas kompliziertes und vor allem unübersichtliches Zweigespann. Ebenfalls wenig erfreulich: Das Copy & Paste zwischen Sailfish OS und Android-Anwendungen funktioniert derzeit nicht wirklich brauchbar.

Konflikte

Und natürlich kommen sich bei zwei unterschiedlichen Betriebssystemen auch schon mal die grundlegenden Benutzungsparadigmen in die Quere.  Besonders deutlich wird dies bei all jenen Apps, die den zuletzt von Google favorisierten Sidebar nutzen. Wird dieser doch über eine Wischgeste vom äußersten linken Bildschirmrand geöffnet, was mit einer der zentralen Gesten von Sailfish OS kollidiert. Dies hat zur Folge, dass bei einer solchen Geste manchmal die Navigation und ein anderes Mal der Sailfish-Homescreen aufgerufen wird - ohne wirklich nachvollziehbares Muster.

Performancevergleiche

Trotzdem ist die Android-Kompatibiliät ein echter Bonus, für all jene, die sich ein Jollaphone zulegen wollen. So lässt sich auf diesem Weg etwa schnell ein vernünftiger Browser wie Firefox oder Opera installieren. Amüsanterweise erwies sich der Android-Firefox in Benchmarks sogar als durchgängig schneller denn der Sailfish-eigene Browser. Bei Sunspider 1.0.2 kam der Jolla-Browser auf einen Wert von 1.656,8ms, während FIrefox flottere 1.436,2ms erreichte. In diesem Bereich bewegt sich auch der Vorsprung des Firefox in den Einzeltests des Octane-Benchmarks, der allerdings nicht vollständig durchgeführt werden konnte, da der Mozilla-Browser gegen Ende jedes Mal abstürzte.

Mitbewerb

Am Rande erwähnt sei, dass sich bei diesen Benchmarks auch recht deutlich Abstand des Jollaphone zu aktuellen Top-Smartphones zeigt. Während der Jolla Browser bei Octane derzeit auf einen Wert von 760 kommt, erzielt ein Chrome am Nexus 5 derzeit 4.106 Punkte. Auch bei Sunspider kommt das Nexus 5 mit 718,2ms auf einen wesentlich besseren Wert.

Ein Nachtrag

Und noch eine Bemerkung am Rande: Die weiter oben bekrittelte, nicht immer optimale Schriftendarstellung mag zu einem Teil am Font Rendering von Sailfish OS selbst liegen. So zeigt der Android-Firefox am selben Gerät gerade bei kleinen Schriftgrößen ein erheblich besseres Schriftbild als native Sailfish-Anwendungen.

Technischer Hintergrund

Es folgt ein Blick in die technischen Untiefen von Sailfish OS: Im Gegensatz zu Android handelt es sich hierbei um ein relativ klassisches Linux-System mit vielen auch vom Desktop bekannten Komponenten. Neben dem eigentlichen Linux-Kernel, der aktuell in der Version 3.4.0 mitgeliefert wird, gehören dazu das C++-Framework Qt, das Sound-System Pulseaudio, die Desktop-Suche-Tracker oder auch das Multimedia-Framework GStreamer. Selbst das Boot-System Systemd sowie der X.org-Nachfolger Wayland finden bei Sailfish bereits ihren Einsatz. Auch sonst gibt man sich recht fortschrittlich, so kommt etwa als Dateisystem das offiziell noch als experimentell angesehene btrfs zum Einsatz.

Mer

Entwickelt wird Sailfish OS in Kooperation mit dem Mer-Projekt, das wiederum eine eigene  MeeGo-Abspaltung betreibt, womit auch die Ahnenlinie einigermaßen umrissen wäre. Der Hersteller verspricht regelmäßige Updates, so wurde das Gerät mit Sailfish OS 1.0.0.5 ausgeliefert, nach der ersten Netzverbindung wurde aber gleich das Update auf die Version 1.0.2.5 angeboten. Auch wenn die gewählte Versionierung es verschleiert, versteht Jolla die aktuellen Ausgaben von Sailfish OS übrigens noch als Beta.

Entwicklungsmodus

Dass das Jollaphone nicht zuletzt für all jene interessant ist, die gerne ein vollständiges, mobiles Linux-System hätten, ist Jolla natürlich klar, und hat für diese Community einige Nettigkeiten mit im Gepäck. So lässt sich das Gerät einfach in einen Entwicklungsmodus versetzen, in dem dann automatisch ein Terminal in der App-Liste hinzukommt. Selbst der uneingeschränkte Root-Zugriff auf das gesamte System ist nur einen Befehl entfernt. Darüber hinaus lässt sich ein SSH-Server aktivieren, über den das Gerät wahlweise über USB-Kabel oder per WLAN ferngesteuert werden kann.

Fazit

Betrachtet man das Jollaphone ganz nüchtern in Hinblick auf die gebotene Hardware, ist es schwer eine wirkliche Empfehlung dafür abzugeben. Selbst im Vergleich zu wesentlich günstigeren Geräten wie dem Moto G kann es bei den Spezifikationen nicht mithalten, von preislich ähnlich gelagerten Geräten wie dem Nexus 5 ganz zu schweigen. Dazu kommt, dass das native App-Angebot  von Sailfish OS aktuell noch etwas gar dünn gesät ist.

Zielgruppe

Interessant ist das Jollaphone somit vor allem für jene, die ein Smartphone jenseits von Android, iOS und Windows Phone suchen, und sich dabei auch nicht vor dem einen oder anderen Hardwaredefizit abschrecken lassen. Dafür bekommen sie dann ein durchaus interessantes Betriebssystem mit einer ausgereiften, und erfreulich offenen Linux-Basis und einer im Kern wohl durchdachten Oberfläche. In Kombination mit dem Konzept der "Other Half" dürften sich also vor allem technisch besonders versierte Nutzer_innen oder Entwickler_innen von dem Smartphone angesprochen fühlen.

Verlockung

Am Massenmarkt wird man es mit dem Jollaphone hingegen eher schwer haben, aber das ist dem Hersteller wohl durchaus selbst bewusst - und auch nicht unbedingt die Zielsetzung des Geräts. Was Jolla mit seinem ersten Smartphone nämlich sehr wohl gelingt, ist das Potential seines Betriebssystem Sailfish OS aufzuzeigen. Unter den diversen kleineren Alternativen zu Android und Co. gehört das Betriebssystem derzeit sicher zu den spannendsten, und ist im Gegensatz zu beispielsweise Ubuntu Phone auch schon wirklich alltagstauglich. Im Sinne der Vielfalt auf dem Mobilfunkmarkt bleibt zu hoffen, dass einer der großen Hardwarehersteller dieses Potential erkennt, und den Schritt zu einem eigenen Smartphone mit Sailfish OS wagt. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 13.01.14)