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Richterin Claudia Moravec-Loidolt.

Foto: APA/Neubauer

Wien - Zu Beginn des Schillerplatz-Prozesses um den Verkauf einer Telekom-Immobilie an Ex-ÖBB-Chef Martin Huber hat der Staatsanwalt die Anklage vorgetragen. Kern des Vorwurfs: Die Immobilie wurde Ende 2006 um 5,4 Mio. Euro von der Telekom Austria an eine Gesellschaft verkauft, die Huber und seiner Ehefrau gehörte.

Diese Gesellschaft mit der Immobilie wurde ein knappes Jahr später an die Seeste Bau um 10,9 Mio. Euro verkauft. "Irgendwer hat ein schlechtes Geschäft gemacht", kommentierte der Staatsanwalt. Es gebe Indizien im Akt, dass nicht der Käufer, die Seeste, sondern die Telekom als Verkäufer das schlechte Geschäft gemacht habe.

Im knappen Jahr zwischen Ankauf und Verkauf sei weder der Immobilienmarkt in die Höhe geschnellt noch eine wesentliche preissteigernde Maßnahme für die Immobilie getätigt worden. Der Preis, 5,4 Mio. Euro, sei vonseiten der Telekom ohne Wertgutachten und ohne Preisfindung festgesetzt worden. Laut Indizien sei der Preis vom damaligen Telekom-Chef Heinz Sundt vorgegeben worden, darüber sei nicht mehr verhandelt worden.

Nicht betriebsnotwendige Immobilie

Das ehemalige Hauptwählamt der Telekom am Schillerplatz 4 in Wien sollte als nicht betriebsnotwendige Immobilie veräußert werden. Schon vor dem Verkauf habe es 2005 interne Verhandlungen mit einem - nunmehr erkrankten und nicht vernehmungsfähigen - Bauunternehmer gegeben. Seit damals sei offenbar der Preis von 5,4 Mio. Euro festgestanden. Der damalige Telekom-Chef Sundt habe - kurz vor seinem Ausscheiden - ein bindendes Verkaufsanbot an die Schillerplatz 4 Projektentwicklungsgesellschaft von Huber gestellt. Zu Jahresende 2006 habe die Gesellschaft das Anbot dann angenommen und die Immobilie von der Telekom gekauft.

"Wieso ist kein Verkehrswertgutachten erstellt worden?", fragte der Staatsanwalt. Auch eine Risikobewertung der Käuferseite habe gefehlt. Die Schillerplatz 4 Projektentwicklungsgesellschaft sei einzig für den Ankauf dieser Immobilie gegründet worden. 25 Prozent der Anteile hielt Hubers Ehefrau. Die restlichen 75 Prozent hielt ein Treuhänder für Huber. Im Firmenbuch und für die Öffentlichkeit war die 75-Prozent-Beteiligung des damaligen ÖBB-Chefs Huber also nicht erkennbar. Hubers Ehefrau war auch Geschäftsführerin der Gesellschaft.

Ein knappes Jahr später, im November 2007, wurde die Projektgesellschaft dann - mit der Liegenschaft Schillerplatz - an die Seeste Bau verkauft. Da die Gesellschaft sonst nichts besaß, wurde also quasi die Immobilie verkauft. Die Seeste zahlte 3,9 Mio. Euro für die Gesellschaft und übernahm sieben Mio. Euro Verbindlichkeiten. "10,9 Mio. Euro ist knapp das Doppelte dessen, was die Schillerplatz 4 Projektentwicklungsgesellschaft ein knappes Jahr davor an die Telekom gezahlt hat", unterstrich der Staatsanwalt. Laut dem Gutachten eines Sachverständigen habe der Verkehrswert der Immobilie schon zum Zeitpunkt des Anbots der Telekom rund 10 Mio. Euro betragen.

Rückdatierung eines Gutachtens

Weiters sind auch der Architekt Peter K. und zwei ehemalige Mitarbeiter der Telekom angeklagt, sie sollen durch Rückdatierung eines Wertgutachtens über den Schillerplatz Beweismittelfälschung und Begünstigung begangen haben. Neben einem Ex-Mitarbeiter der Telekom sitzt auch die derzeitige ÖBB-Personenverkehrsvorständin Birgit Wagner auf der Anklagebank. Im Zuge einer internen Revision der Telekom Austria im Jahr 2008 hätten die drei das Gutachten rückdatiert auf 2005, um die beschuldigten Telekom-Ex-Vorstände zu entlasten, so der Staatsanwalt. Allerdings seien im Gutachten Fotos und Flächenwidmungspläne späteren Datums enthalten, es könne also nicht aus dem Jahr 2005 stammen. Dieses Gutachten beziffert den damaligen Wert der Immobilie mit 5,25 Mio. Euro, es würde die Telekom-Vorstände Sundt und Stefano Colombo also entlasten.

Die Telekom Austria hat sich dem Verfahren angeschlossen. Ihr Vertreter Norbert Wess schloss sich der Argumentation des Staatsanwalts an. Eine systematische Kaufpreisermittlung habe gefehlt. Drei Tage vor seinem Ausscheiden habe Sundt das bindende Kaufangebot unterzeichnet. Der Gerichtssachverständige habe den Wert der Schillerplatz-Immobilie zum Zeitpunkt der Anbotserstellung im Mai 2006 mit 9,8 Mio. Euro beziffert, verkauft wurde aber nur zu 5,4 Mio. Euro. Die Differenz, 4,4 Mio. Euro, werde von der Telekom als Privatbeteiligte geltend gemacht.

Sundt sieht kranken Prokuristen in Verantwortung

Bei seiner ausführlichen Einvernahme im Schillerplatz-Prozess hat heute der Hauptangeklagte, Ex-Telekom-Austria-Generaldirektor Heinz Sundt, die inhaltliche Verantwortung des umstrittenen Immobilien-Deals bei einem erkrankten Ex-Prokuristen der Telekom gesehen. Der Bereichsleiter Einkauf habe Verträge aufgesetzt und den Preis kalkuliert, er selber habe nur zwei Mal unterzeichnet.

Richterin Moravec-Loidolt brachte Sundts Aussage auf den Punkt: "So wie Sie das darstellen, war der Schillerplatz für Sie lediglich das Leisten von Unterschriften und das zur Kenntnisnehmen der Informationen". Sundt verteidigte sich, er sei bis heute der Meinung, dass es für die Telekom ein gutes Geschäft gewesen sei.

Der betreffende frühere Mitarbeiter der Telekom war Prokurist, Bereichsleiter für Einkauf und hatte auch das kaufmännische Immobilienmanagement zu verantworten. Im Jahr 2007 erlitt er einen Herzkreislaufstillstand und ist seitdem nicht mehr vernehmungs- und verhandlungsfähig. Sein Name war heute in fast jedem Satz bei der Einvernahme von Sundt im Gerichtssaal zu hören, in fast jeder Antwort verwies der frühere Telekom-Chef auf den Erkrankten.

Sundt schilderte das Zustandekommen des Deals: Zunächst sei ein mit ihm befreundeter Bauunternehmer auf ihn zugekommen und habe sein Interesse am Erwerb der Telekom-Immobilie Schillerplatz bekundet. Er habe die Sache an den besagten Prokuristen weitergeleitet und sich inhaltlich damit nie wieder beschäftigt.

Unterschrift "vergessen"

Im Mai 2005 hatte Sundt dann eine Option unterschrieben, wonach der Bauunternehmer die Immobilie zum Mindestkaufpreis von 5,4 Mio. Euro erwerben könne. Diese Unterschrift habe er "vergessen". "Ich habe verschwitzt, dass ich eine Vereinbarung am 18. Mai 2005 unterschrieben habe", sagte Sundt heute. Er habe darin aber keinen Kaufpreis fixiert, sondern nur zugesagt, exklusiv mit dem Bauunternehmer bis Jahresende das Objekt zu entwickeln. Der Bauunternehmer sei die Verpflichtung eingegangen, bis Jahresende ein Angebot mit mindestens 5,4 Mio. Euro zu machen.

Dazu kam es nicht, der befreundete Bauunternehmer schied wegen einer schweren Erkrankung als Käufer aus. Dass damals schon der mitangeklagte Ex-ÖBB-Chef Martin Huber mit im Boot auf Käuferseite war, das habe er nicht gewusst, versicherte Sundt heute.

Anfang Mai 2006, wenige Wochen vor Sundts Ausscheiden aus der Telekom per Ende Mai, sei dann der - mittlerweile schwer erkrankte - Prokurist zu ihm gekommen. Er habe ihm ein Dokument über ein Verkaufsangebot der Schillerplatz-Immobilie vorgelegt, wo bereits der Kaufpreis von 5,4 Mio. Euro fixiert war. Der Prokurist habe ihm ausführlich erläutert, dass das ein angemessener Preis wäre, und auch konkrete Vergleiche geschildert, beteuerte Sundt heute. "Warum gibt es nirgendwo eine Dokumentation über die Kaufpreisermittlung", wollte die Richterin wissen. Für ihn habe die mündliche Präsentation des Bereichsleiters genügt, er habe eine entsprechende schriftliche Dokumentation in der Fachabteilung angenommen, verteidigte sich Sundt. Auch dass kein aktuelles Verkehrswertgutachten vorlag habe ihn nicht gestört.

Golfspieler hier, Tennisspieler dort

Dass der neue Käufer nun in Wahrheit ÖBB-Chef Martin Huber bzw. dessen Frau sei, das habe er erst beim Gespräch mit dem - nunmehr kranken - Prokuristen erfahren, so Sundt. Mit Huber sei er zwar bekannt gewesen, aber nicht privat befreundet. Huber sei ein Golfspieler, er selber ein Tennisspieler, auch sonst habe es keine gemeinsamen Interessen gegeben.

Der zeitliche Ablauf des nunmehr angeklagten Deals: Kurz vor seinem Ausscheiden im Mai 2006 unterzeichnete Sundt das Verkaufsangebot der Telekom an die Schillerplatz-Projektentwicklungsgesellschaft. Erst im November 2006 kam eine - von der Telekom beantragte - Baugenehmigung von der Behörde. Erst Ende Dezember 2006, kurz vor Ablauf der Anbotsfrist, wurde der Kaufvertrag vonseiten der Schillerplatz-Gesellschaft unterzeichnet.

Schon im Juli 2006 gab es eine parlamentarische Anfrage des SPÖ-Abgeordneten Günther Kräuter zu dem Verkauf. Eine interne Revision durch seinen Nachfolger, Boris Nemsic, habe offenbar nichts bedenkliches ergeben, er selber sei nicht mehr kontaktiert worden.

Immobiliengutachter im Visier der Anwälte

Auch der Sachverständige ist am späteren Nachmittag ins Visier der Anwälte der sieben Angeklagten geraten. Sie wollen den Gutachter wegen Befangenheit ablehnen. Der Schöffensenat unter Vorsitz von Richterin Claudia Moravec-Loidolt am Freitag über die Anträge entscheiden.

Die Anwälte werfen dem Immobilien-Sachverständigen einerseits ein Naheverhältnis zur Staatsanwaltschaft vor, denn diese habe ihn beauftragt. Weiters wird dem Gutachter angekreidet, in einem Fachmagazin geschrieben zu haben, in dem in anderen Beiträgen über die Seeste Baugesellschaft berichtet wurde. Seeste hatte im Jahr 2007 die Immobilie Schillerplatz gekauft. Außerdem habe die Telekom Austria in dem Fachmagazin inseriert, wurde dem Gutachter von Verteidigerseite angekreidet. Dies veranlasste den Privatbeteiligtenvertreter der Telekom zum ätzenden Kommentar, aus Sicht der Telekom gebe es hier wenigstens Inserate. Popp dementierte alle Vorwürfe. Er habe sein Gutachten unabhängig und ohne Beeinflussung erstellt.

Der Gutachter spielt im Verfahren eine Schlüsselrolle. Laut seiner Expertise lag der Verkaufspreis für die Schillerplatz-Immobilie etwa bei der Hälfte des damaligen tatsächlichen Verkehrswerts. Damit belastet sein Gutachten die Angeklagten, denen vorgeworfen wird, die Immobilien-Anteile am Schillerplatz 4 unter Wert verkauft bzw. gekauft zu haben.

Colombo "vertraute"Ex-Manager

Der angeklagte Ex-Telekom-Finanzvorstand Stefano Colombo hat bei seiner Einvernahme so wie sein ehemaliger Vorstandskollege Heinz Sundt ebenfalls die Verantwortung für Verhandlungen und Preisfindung beim angeklagten Immobilienverkauf beim erkrankten früheren Telekom-Prokuristen gesehen. "Ich habe ihm vertraut", betonte der Ex-Manager.

Der gebürtige Italiener Colombo war als Finanzvorstand Vorgesetzter des 2007 schwer erkrankten Bereichsleiters. Mit ihm habe es nie Schwierigkeiten gegeben, die interne Revision habe ihm nie etwas vorgeworfen, betonte Colombo. Von Richterin Moravec-Loidolt auf die fehlende Kaufpreisdokumentation angesprochen, meinte Colombo, "er hatte etwas in der Hand". Die von Sundt und Colombo behaupteten Unterlagen sind allerdings bis heute in der Telekom nicht auffindbar. Colombo hatte im Mai 2006 als erster das Verkaufsangebot zu 5,4 Mio. Euro an die Schillerplatz-Gesellschaft unterzeichnet, als zweiter folgte Sundt.

Colombo erläuterte, er selber hätte am liebsten das ganze Palais Schillerplatz verkauft und für die Telekom notwendige Teile zurückgemietet. Mit der Immobilie habe es aber "Schwierigkeiten" gegeben, erwähnte er einen Brief des Denkmalamts. Außerdem sei zum Beispiel die nächste Garage rund 800 Meter entfernt, behauptete er.

Die Einvernahme von Colombo wird am Freitag fortgesetzt. (APA, 9.1.2013)