Thomas Hitzlsperger hat als bisher prominentester Fußballer offen über seine Homosexualität gesprochen, und es dauert nicht lange, da prasseln (zwischen vielen verständnisvollen) auch solche Stellungnahmen im Forum ein: "Interessiert mich nicht, mit wem er schläft!", "Wieso machen die Medien so ein Trara drum?", "Er ist schwul. Na und?"

Seltsamerweise hört man derartige Statements selten bei einer Nachricht zum Techtelmechtel zwischen einem Kicker und einem weiblichen Popstar, einem Torhüter und einer Reporterin oder einem Golf-Profi mit einer Skifahrerin. Oft wird in Wahrheit nicht das Thema Sexualität als uninteressant empfunden, sondern konkret die Homosexualität als störend.

Homosexualität ist gerade im Fußball immer noch ein Tabu. Von den Zuseherrängen (auch in Österreich, aber anderswo noch schlimmer) schallen bei fast jedem Spiel homophobe Sprechchöre. So manch aktiver Trainer will "so einen" nicht in seiner Mannschaft haben. In den Top-Ligen der Welt gibt es mit dem US-Amerikaner Robbie Rogers (LA Galaxy) derzeit nur einen aktiven Spieler, der ein Coming-out gewagt hat - und der unterbrach seine Karriere unmittelbar danach für ein halbes Jahr. Dass er unter tausenden Sportlern nicht der einzige Homosexuelle sein kann, liegt auf der Hand.

Bei anderen herrscht offenbar Angst. Spieler fürchten die Reaktionen von Kollegen, aktuellen und zukünftigen Vorgesetzten, Fans und Sponsoren. Das lässt sich nicht mit einem lapidaren, pseudo-uninteressierten "Na und?" wegreden. Es ist auch nicht (allein) der Fußball daran schuld. In dieser Arena der betonten Männlichkeit sind Geschlechterbilder vielleicht noch etwas antiquierter. Doch es gibt keine Insel namens Fußball in der Gesellschaft. Am Sport von Millionen zeigt sich, wie große Teile der Gesellschaft ticken.

Es gibt Grund zur Hoffnung, dass es sich zum Besseren wendet - dass dank aufgeklärter Einsicht und mutiger Vorbilder die Homosexualität von Sportlern bald keine Nachricht mehr wert ist. Noch ist es aber nicht so weit. So zu tun, als wäre ein Fußballer-Coming-out schon heute keine große Sache, entwertet den couragierten Schritt Hitzlspergers. (Tom Schaffer, derStandard.at, 8.1.2014)