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Die Reform des spanischen Berggesetzes ist heißumstritten. Die Umwidmung in Bauland nach Bränden soll wieder erlaubt werden.

Foto: EPA/Oscar Corral

Wer sich in Spanien auf die Pirsch begibt, lebt gefährlich. Allein in der begonnenen Saison starben vier Jäger durch die Kugeln ihrer Kollegen, darunter ein 17-Jähriger bei einer Wildschweinjagd. Fast 3000 Jagdunfälle im Jahr, davon zwölf tödliche wegen Schusswaffen (2012) sowie über 50 Verletzungen unterschiedlichen Schweregrades sprechen für sich.

Doch in jener Statistik sind nur Jäger aufgenommen, und nicht andere, die zu Schaden gekommen sind, betont man seitens Mutuasport - der Versicherung, die knapp 40 Prozent der Waidmänner abdeckt. Das alarmierte die Rechtsregierung unter Premier Mariano Rajoy (Partido Popular, PP), deren Lösungsansatz nun für heftige Diskussionen sorgt.

Natursperre "an bestimmten Tagen"

So soll in die Reform des "Berggesetzes" einfließen, dass die Jägerschaft die Natur "an bestimmten Tagen" oder wenn Treibjagden angesetzt sind, ganz für sich allein nutzen darf. "Um die Sicherheit aller zu garantieren", heißt es. Wie von Jagdverbänden in Verhandlungen im Landwirtschafts- und Umweltministerium unter Miguel Arias Cañete gefordert, soll das Wandern, Radfahren und Schwammerlsuchen auf "staatlichem Terrain" - also auch in Natur- und Nationalparks - verboten sein.

Dem Präsidenten des königlich-spanischen Jagdvereins RFEC, Andrés Gutiérrez Lara, geht es darum, "dass alle Aktivitäten miteinander kompatibel sind". Das bedeute, "wenn wir das eine machen, dann hört das andere auf".

Die Priorität der Privatheit soll "nur für die Hochjagd gelten", für jene, die Wildschweine, Rehe oder Hirsche jagen, nicht für solche, die Rebhühnern, Hasen oder Kaninchen (Niederwild) nachstellen. "Schrotkugeln haben eine geringe Reichweite. So kommen meist keine Unbeteiligten zu Schaden", wie RFEC-Sprecher Ángel López unterstreicht: "Bei der Hirschjagd haben die Projektile eine Reichweite von 200 Metern. Das ist etwas anderes."

Milliardengeschäft

Wie die Statistiken der Stiftung zum Schutz der Natur und der Jagd belegen, werden jährlich rund 27 Mio. Stück Niederwild und 411.600 Stück Hochwild erlegt, mit einem Gegenwert von einer Mrd. Euro. Davon nascht der Staat über Lizenzen, Jahres- und Abschussgebühren kräftig mit.

"Pilze sind unser Hobby, dem wir uns wissenschaftlich widmen, nicht unser Einkommen", betont Saturnino Pedraja, Präsident der Mykologen Kantabriens. Er vertritt mehr als 200 Schwammerlsucher: "Die Gefahr geht von den Jägern aus, die auf alles schießen, was sich bewegt", sagt er zum STANDARD. Manuel Vera, Gründer von Granadas Pilzsuchergesellschaft betont: "Wenn eine Jagd ausgeschrieben ist, gehen wir tunlichst nicht dorthin." "Es zu verbieten und gar Strafen zu verhängen ist eine Zumutung."

Gefährdete Verfassungsrechte

Naturbegeisterte, Sportvereine und die sozialistische Opposition (PSOE) sind empört. Ex-Umweltministerin Cristina Narbona fürchtet, dass die "Jagdlobby" Verfassungsrechte - wie die Bewegungsfreiheit oder den garantierten "Genuss der Natur in Staatsbesitz" - aushebelt.

Anfang Dezember 2013 sorgte überdies die Terminplanung im Nationalpark Monfragüe für Empörung, war doch zum Höhepunkt der Zugvögelbrutsaison an einem langen Wochenende eine Jagd angesetzt, kritisierten der lokale Tourismusverband und Vogelschützer von Birdlife. Genehmigt wurde dies von der Regionalregierung als "Kontrolle der Population" - der einzige Grund, der es erlaubt in Nationalparks zu jagen.

Damit nicht genug: Die Reform, die, wie es aus dem Ministerium heißt, "aktuell erarbeitet werde" und "vor dem Sommer abgesegnet werden soll", soll es nach Waldbränden wieder erlauben, betroffenes Terrain zu Bauland umzuwidmen.

Bauland nach Bränden

Sofern es sich um "Bauten öffentlichen Interesses handelt", betonte Arias Cañete: "Keine Wohnhaussiedlungen oder Golfplätze, aber Krankenhäuser, soziale Einrichtungen oder Gefängnisse." Dies war per Gesetz auf 30 Jahre verboten, um Brandstiftung, die zur Zeit des Immobilienbooms extreme Ausmaße angenommen hatte, zu bekämpfen: "Es wird keine Spekulation geben", versicherte der Minister, und: "Die Reform wird keine Hintertüre beinhalten, die es dem Staat erlaubt, Wälder zu verkaufen."

Die Ecologistas en Acción und Greenpeace sind alarmiert. (Jan Marot, DER STANDARD, 9.1.2014)