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Griechenland will sich als Land im Aufbruch verstehen, nicht als Land in der Krise.

Foto: EPA/ORESTIS PANAGIOTOU

Laut, polternd, wortmächtig, rechthaberisch. So präsentierte sich der griechische Außenminister Evangelos Venizelos am Freitag in Athen zum Auftakt des griechischen EU-Vorsitzes einer Gruppe von internationalen Journalisten. Sein Land wolle – jenseits von Krise und Eurohilfen – eine ganz normale Präsidentschaft hinlegen, die wegen der Europawahlen aber eine große Herausforderung sei. Aber: Das werde kein wirkliches Problem sein.

Schließlich verfüge Griechenland über so etwas wie ein "institutionelles Gedächtnis", skizzierte Venizelos die Rolle seiner Regierung für die kommenden sechs Monate. Zum Beispiel habe man 1994 die Erweiterungsverhandlungen mit Österreich, Schweden und Finnland erfolgreich zu Ende gebracht, 2003 dann wieder die EU-Präsidentschaft gehabt, als es um die große Erweiterung nach Osteuropa gegangen war. So werde man auch die anstehenden Arbeiten für Europa, allem voran die gesetzliche Ausgestaltung der Bankenunion, mit dem Europäischen Parlament über die Runden bringen.

"In ein paar Monaten" aus der Krise

Dass sein eigenes Land demnächst im Frühjahr neue Milliardenhilfen brauchen könnte, davon wollte der Außenminister, der gleichzeitig Vizepremierminister und Chef der (in der Wählergunst abgestürzten) Pasok-Partei ist, nichts wissen. Wenn alles gutgehe, könnte Athen "in ein paar Monaten" aus dem Ärgsten der Krise draußen sein, polterte Venizelos. Griechenland habe bisher 250 Milliarden Euro an Krediten erhalten, "und wir zahlen unsere Verpflichtungen". Es gebe jetzt erstmals einen Primärüberschuss im Budget (ohne Berücksichtigung des Schuldendienstes). "Der deutsche Steuerzahler" habe bisher nicht einen Euro für die Griechen gezahlt, die ihrerseits riesige Einbußen bei den Gehältern hinnehmen hätten müssen und den Preis einer hohen Arbeitslosigkeit gezahlt hätten.

Kurz und gut: Es gehe doch aufwärts, argumentierte Venizelos, eine "Win-win-Situation" für Athen wie für die Europartner. Man müsse aber "die Fehler" der Experten der Troika von EU, Währungsfonds und Europäischer Zentralbank bei der Erstellung des ersten Hilfsprogramms im Mai 2010 korrigieren. Der Außenminister ist ein bulliger Typ, und er schrie das alles auf Griechisch so laut in den Saal, dass die Zuhörer sogar Mühe hatten, die Übersetzung via Kopfhörer richtig zu hören.

Finanzminister hat ähnliches Programm

Nach ihm trat dann Finanzminister Yannis Stournaras auf die Bühne, ein Finanzexperte, der 2012 vom konservativen Premierminister Antonis Samaras eingesetzt wurde – und als direkter Nachfolger von Venizelos, der die ersten Eurohilfen mit den Partnern verhandelt hatte.

In der Sache trug Stournaras ein inhaltlich weitgehend ähnliches Programm vor wie zuvor der Spitzenjurist Venizelos: Es werde 2014 erstmals seit sechs Jahren in Griechenland ein kleines Wachstum geben. Dieses sei wichtig, das beste Mittel, um Schulden abzubauen. Man müsse also die fiskalischen Maßnahmen darauf abstimmen, die Troika dürfe Griechenland nicht überfordern. Es seien vor allem auch Fortschritte bei der Steuereintreibung gemacht worden. Die griechische Gesellschaft ändere sich schön langsam. Er stimme mit den Troika-Experten in vielem nicht überein, aber es sei bisher in zähen Gesprächen noch immer gelungen, gute Kompromisse auszuhandeln und tragfähige Lösungen zu finden.

Aufbruch statt Krisenland

So Stournaras. Er ist ein ruhiger Mann, spricht fast leise, vermeidet Sätze der Konfrontation – das Gegenteil des machtbewussten Venizelos. Gegen Ende wählte er eine denkwürdige Formulierung für das, was in seinem Land in den vergangenen drei Jahren geschehen ist: Es seien "Veränderungen in Friedenszeiten" passiert, wie es sie sonst nur in Kriegen gibt; ein Absturz, eine Restrukturierung des wirtschaftlichen Lebens, die den Bürgern eines Landes fast alles abverlangt. Nun aber wolle man sich im EU-Vorsitz endlich wieder als "Land im Aufbruch, nicht als Krisenland" zeigen.

Treffender könnte man die derzeitige Lage Griechenlands in der Europäischen Union kaum beschreiben bzw. im Kontrast zum Ausdruck bringen, als das der alte sozialistische Kämpfer Venizelos und der konservative Experte Stournaras, der als Quereinsteiger kam, taten. Das Land wird noch lange an den Krediten der Europartner (und des IWF) zu knabbern haben. Wenn es Glück hat, kann es 2014 und 2015 tatsächlich auch wieder aufwärts gehen.

Aber viel wichtiger als all das ist den Griechen (und ihren Politikern), von den Partnern endlich wieder anerkannt zu werden. Und gewürdigt zu bekommen, dass sie riesige Anstrengungen unternommen haben, um die (politischen) jahrzehntelangen Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Man versteht aber auch, warum diese Partner in Europa Probleme haben mit der Art, wie griechische Politiker in Brüssel auftreten. Der laute, wenig selbstkritische Venizelos, der seit Jahrzehnten im Geschäft steht, steht für die Vergangenheit. Der leise, sehr pragmatische Stournaras für die Zukunft, den konstruktiven Dialog. (Thomas Mayer, derStandard.at, 8.1.2013)