Im neuen Jahr 2014 gedenkt Ungarns Regierung ganz offiziell des ungarischen Holocausts vor 70 Jahren: Im Frühjahr 1944 hatte die damalige ungarische Führung unter dem Reichsverweser und Hitler-Verbündeten Miklós ­Horthy (1920–1944) mehr als 400.000 ungarische Juden nach Auschwitz deportiert. Fast alle von ihnen wurden in den Gaskammern ermordet.

Am Silvestertag überraschte die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán mit einer Verordnung, wonach auf dem Budapester Szabadság-Platz bis zum März dieses Jahres der "deutschen Besatzung" eine Gedenkstätte zu errichten sei. Gemeint ist damit ein Erinnerungsort, der die militärische Okkupation Ungarns durch den eigenen Verbündeten am 19. März 1944 anprangert.

Tatsächlich waren damals deutsche Truppen in Ungarn eingerückt. Das folgte der Logik des Kriegsverlaufs und diente damals Berlin auch dazu, um auf Horthy in Sachen Juden-Deportationen Druck auszuüben.

"Besatzung" ist aber in diesem Kontext ein metaphorischer Begriff, denn es gab keinen ungarischen Widerstand, keine deutsche Besatzungsverwaltung. Reichsverweser Horthy, die Regierung – mit ausgewechseltem Regierungschef – und selbst das Parlament blieben damals im Amt. Die Juden-Deportationen wurden von der ungarischen Regierung und ihren Organen abgewickelt, und zwar in Koordination mit einem SS-Sonderkommando unter Adolf Eichmann.

Ministerpräsident Orbán wird immer wieder kritisiert, sich von Rechtsextremisten und Antisemiten nicht deutlich genug abzugrenzen. Immer wieder übernehme er von ihnen Inhalte in seine Politik, um das Stimmenpotenzial am rechten Rand abzuschöpfen. Dazu gehöre auch eine zunehmende Rehabilitierung Horthys, was mit der Leugnung von dessen Verantwortung für die Shoah der ungarischen Juden einhergehe.

In die neue ungarische Verfassung, die seit 2012 gilt, ließ Orbán hineinschreiben, dass Ungarns Souveränität am 19. März 1944 – das heißt, mit Beginn der "deutschen Besatzung" – erloschen sei. Horthy soll nichts dafür gekonnt haben, was danach geschah.

Kritik an Umgang mit Horthy

Dominiert wird der Szabadság-Platz in Budapest derzeit vom sowjetischen Befreiungsdenkmal, das wie das entsprechende Denkmal auf dem Wiener Schwarzenbergplatz an die Befreiung vom Faschismus erinnert. In den vergangenen Jahren war dieses Budapester Denkmal immer wieder Ziel von Angriffen und Schändungen durch Neonazis.

Aus dem Silvestererlass der Orbán-Regierung geht nichts über die genaue Position und Größe der neuen Gedenkstätte hervor. Das offizielle Holocaust-Gedenken dürfte aber durch diese weitere Maßnahme zur Rehabilitierung Horthys in seiner Glaubwürdigkeit beschädigt werden: Der Verband der Jüdischen Glaubensgemeinschaften in Ungarn (Mazsihisz) bezeichnete jedenfalls den Regierungserlass als "traurige und schmerzende Botschaft". (Gregor Mayer aus Budapest /DER STANDARD, 8.1.2014)