Am 10. Oktober 1941 schrieb Walter Mattner, im Zivilberuf Polizeisekretär in Wien, zu diesem Zeitpunkt Mitglied einer "Einsatzgruppe" in Weißrussland, an seine Frau in der Heimat: "Bei den ersten Wagen hat mir etwas die Hand gezittert, als ich geschossen habe, aber man gewöhnt das. Beim zehnten Wagen zielte ich schon ruhig und schoss sicher auf die vielen Frauen, Kinder und Säuglinge. Eingedenk dessen, dass ich auch zwei Säuglinge daheim habe, mit denen es diese Horden genauso, wenn nicht zehnmal ärger machen würden. Der Tod, den wir ihnen gaben, war ein schöner, kurzer Tod (...) Säuglinge flogen in großem Bogen durch die Luft und wir knallten sie schon im Fliegen ab (...) Nur weg mit dieser Brut (...) Ich freue mich eigentlich schon, das (sic) wir in die Heimat zurückkehren, dann kommen unsere heimischen Juden dran. Na, ich darf dir nicht genug erzählen" (zit. nach C. Gerlach: Kalkulierte Morde).

Der Brief des liebenden Gatten, Vaters und Massenmörders Mattner ist Bestandteil von Stefan Ruzowitzkys neuer Filmdoku Das radikal Böse, die am 16. Jänner in den Kinos anläuft. Oscar-Preisträger Ruzowitzky (Die Fälscher) hat seinen Film über die Tatsache gedreht, dass mehr als zwei Millionen (meist jüdische) Zivilisten hinter der (Ost-)Front von Polizei, Wehrmacht, SS und Waffen-SS sozusagen in Handarbeit ermordet wurden. Zusammengetrieben, am Rand von ausgehobenen Gräben aufgestellt, mit Gewehren von hinten in den Kopf geschossen, in die Grube geworfen. Hunderttausende Morde im Sommer und Herbst 1941, durchgeführt von wenigen tausend Schützen.

Die "industrielle" Vernichtung durch Gas in Auschwitz und anderen Lagern kam später. Das hier war sozusagen die primitive Methode. Ruzowitzky versucht, dem Unerklärbaren auf die Spur zu kommen - warum so viele mitmachten (und noch viel mehr davon wussten und sogar als abgeordnete Zuschauer dabei waren). "Einige eifrige 'Dauerschützen' und ein kontinuierlicher Nachschub an Gelegenheitsmördern reichten aus, um die blutigsten Aufgaben zu erfüllen und es einer kleinen Minderheit zu gestatten, sich dauerhaft vom eigentlichen Mordgeschehen fernzuhalten, ohne mit schweren Nachteilen rechnen zu müssen" (Christopher Browning: Die Entfesselung der 'Endlösung').

Mitglied einer solchen Einheit (1. Waffen-SS-Infanteriebrigade) war der frühere FPÖ-Obmann Friedrich Peter. Er behauptete nach seiner Enthüllung durch Simon Wiesenthal, nichts getan zu haben (möglich, wenn auch unwahrscheinlich), aber auch nichts gewusst zu haben (unmöglich). Er wurde von seinem politischen Partner Bruno Kreisky (und der Kronen Zeitung) 1975 massiv in Schutz genommen.

Damals wollte man (wohl auch Kreisky) einfach nicht glauben, dass Männer, die "nur ihre Pflicht getan" hatten, zu so etwas fähig gewesen waren. Heute ist dieser Aspekt des Holocausts historisch abgesichert, wenn auch immer noch nicht im breiten Bewusstsein verankert.

Der Massenmörder Mattner wurde 1947 und 1964 in Wien vor Gericht gestellt, es kam aber nicht zur Verurteilung. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 8.1.2014)