Mussten Arbeitgeber einst im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes nur darauf achten, dass ihre Mitarbeiter Schutzhelme tragen oder ihnen keine Stolpersteine im Weg liegen, stehen heute Stressdiagnostik, Anti-Gerüchte-Trainings und Burnout-Akademien auf dem Programm. Seit nunmehr einem Jahr (Novelle ASchG BGBl I 2012/118) müssen Unternehmen auch psychische Gefahren und Belastungen ihrer Arbeitsbedingungen erheben, beurteilen und geeignete Abwehrmaßnahmen setzen, und zwar grundsätzlich, also nicht erst nach dem Auftreten von psychischen Verdachtsmomenten.

Viele Unternehmen sind sich dieser Verpflichtung nicht bewusst. Doch das Arbeitsinspektorat überprüft die psychische Belastung am Arbeitsplatz immer strenger. Anlass für den Besuch des Arbeitsinspektors können – von Routinekontrollen abgesehen – anonyme Anzeigen oder Beschwerden sowie auffällige Kennzahlen (Unfall- oder Krankenstandsquote, Fluktuation) sein.

Nun können psychische Belastungen aber nicht mit Geräten gemessen werden – was ist zu tun? Keinesfalls dürfen Unternehmen selbstentwickelte Messverfahren anwenden. Vielmehr muss das Verfahren ein Mindestmaß an Objektivität, Reliabilität und Validität erfüllen; auf der sicheren Seite ist man freilich bei Einhaltung der ÖNorm EN ISO 10075-3. Auva und Arbeitsinspektorat verweisen außerdem auf die Toolbox der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mit der umfangreichsten qualifizierten Sammlung von Methoden im deutschsprachigen Raum.

Ob der Arbeitgeber seine Mitarbeiter schriftlich oder in Form von Einzel- oder Gruppeninterviews befragt oder ob er sich für ein Beobachtungsverfahren entscheidet, ist grundsätzlich ihm überlassen. Er soll jenes dieser Messverfahren anwenden, das zum Betrieb, zur Arbeitstätigkeit und zum Arbeitsplatz passt.

Richtige Themen abfragen

Auch müssen die richtigen Themen abgefragt werden, nämlich die Belastungen durch Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten (z. B. Kontakt mit unzufriedenen Kunden, Unterforderung), durch Arbeitsabläufe (z. B. unklare Ziele, häufige Unterbrechungen), durch die Arbeitsumgebung (z. B. Platzmangel, benutzungsunfreundliche Software) und durch das Sozial- und Organisationsklima (Alleinarbeit, fehlendes Feedback).

Exakt auf diese Bereiche sollte sich die Erhebung des Arbeitgebers auch beschränken. Alle Themen, die darüber hinausgehen – etwa zur Arbeitszufriedenheit oder zu sportlichen Aktivitäten – könnten datenschutzrechtlich bedenklich sein oder der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Das gilt übrigens auch für Fragen nach individuellen psychischen Zuständen wie Depression, Burnout etc. – sie sind kein Ziel der Messung!

Bei Verstoß gegen diese Vorschriften drohen Verwaltungsstrafen, und zwar keine geringen. Der Strafrahmen reicht von Euro 166 bis 8324 Euro. Im Wiederholungsfall kann es bis zu 16.659 Euro kosten, und zwar pro Einzelfall. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD; 8.1.2014)