Bild nicht mehr verfügbar.

Das britische It-Girl und Model Alexa Chung ist eines der Vorbilder für all jene, die dem wachsenden Trend der "Storchenbeine" nacheifern.

Foto: ap/agostini

Bild nicht mehr verfügbar.

Cara Delevingnes "Thigh Gap" hat sogar einen eigenen Twitter-Account.

Foto: ap/agostini

Bild nicht mehr verfügbar.

Alexa Chung, Cara Delevingne und Miranda Kerr (Bild) staksen der Bewegung als moderne Heldinnen vorneweg.

Foto: apa/cupul

Und plötzlich war sie da, die Oberschenkellücke. Dieses Nichts, die luftige Lücke zwischen den weiblichen Schenkeln, schaffte es während der letzten Monate in die Lifestyle-Magazine. Überall: "Thigh Gap" und deren etwas ungelenke deutschsprachige Übersetzung. Auslöser der Aufregung? Eine wachsende Anzahl junger Frauen, die enorme Anstrengungen unternehmen, um ihr storchiges Körperideal zu erreichen: fasten, Kalorien zählen, Workout auf der Fitnessmatte.

Die Ergebnisse dieser Anstrengungen finden nicht nur zu Hause vor dem Spiegel statt, sie landen in den sozialen Netzwerken, genauso wie Trainingsprotokolle und die Dokumentation der kontrollierten Nahrungsaufnahme. Die Fetischisierung und Überhöhung der Oberschenkellücke findet nämlich vorwiegend in den Online-Bildergalerien statt.

Fetischierung

Ob im Liegen, sitzend oder stehend, ob sonnengebräunt im knappen Bikini oder mit rutschigen Overknees im Winter, die Selbstporträts auf Instagram, Pinterest oder Tumblr machen die eigenwillige Dynamik dieser Communitys auch für Außenstehende einsehbar - Bewertung inklusive. Zentraler Bestandteil der meist angeschnittenen Bilder im Netz sind nicht Dekolleté oder Schmollmund, sondern alles andere, Taille abwärts. Die flache Bauchdecke, die spitzen Beckenknochen, alles beklatschte Begleiterscheinungen auf Tumblr-Blogs wie "Fuckyeahthighgap".

Dreh- und Angelpunkt aber: die Königsdisziplin Oberschenkel. Deren Umfang gilt als das A und O, fraulich gerundete Schenkel, die sich berühren, gehen gar nicht. "Füße zusammen, Oberschenkel auseinander" heißt einer der Lieblingssprüche der Community, nur diese Haltung garantiert eine "Thigh Gap" in perfekter Vollendung.

Lückenlos

Die Lücke zwischen den Schenkeln funktioniert dafür als Leistungsnachweis und Eintrittskarte in den Club von Alexa Chung, Cara Delevingne und Miranda Kerr. Die gefeierten Models und It-Girls staksen der Bewegung als moderne Heldinnen vorneweg, Cara Delevingnes "Thigh Gap" hat sogar einen eigenen Twitter-Account.

Die unendliche Inszenierung der Oberschenkellücke erscheint als eine Neuauflage von Size Zero, jenem umstrittenen mageren Körperideal, benannt nach einer US-amerikanischen Kleidergröße. Heute allerdings unter verschärften Bedingungen: Die Selfie-Kultur funktioniert als zuverlässiger Beschleuniger der Bewegung, Ausgang ungewiss.

Neu ist die Oberschenkellücke aber keineswegs. Der Berliner Modesoziologin Diana Weis ist sie das erste Mal vor ungefähr zehn Jahren untergekommen, damals sei die "Thigh Gap" während der Modelcastings in der Modebranche bereits Thema gewesen. Heute hat sich die Lücke zwischen den Beinen zu einem breitenwirksamen Körpertrend ausgeweitet. Eigentlich unglaublich, denn: "Frauen machen sich um eine Körperstelle Sorgen, die sie vorher gar nicht auf dem Schirm hatten", meint Weis.

Megatrend

Mittlerweile funktioniert der Sicherheitsabstand zwischen den Schenkeln gar als Statussymbol, das es auch mit anderen Mitteln zu erreichen gilt: "Es gibt schon OPs, die die Oberschenkellücke durch gezielte Fettabsaugung herstellen", erklärt die Modesoziologin. Denn die vielen Fitnessanleitungen im Internet mögen zwar glauben machen, die Lücke sei durch Disziplin und Askese erreichbar, doch der individuelle Körperbau kann dem im Weg stehen.

Nicht zuletzt deshalb wird der Oberschenkellücke massiv mit Warnhinweisen begegnet: Das Magazin Mädchen warnt vor dem "gefährlichen Magertrend", der Stern aus Hamburg schreibt über den "gefährlichen Schönheitskult". Ist das der Aufschrei einer besorgten Elterngeneration, die der körperfixierten Jugend mit Unverständnis begegnet?

So einfach sei das nicht, meint Diana Weis: "Mittlerweile haben viele Eltern akzeptiert, dass ihre Kinder auch nach ihrer Attraktivität bewertet werden. Die Zeiten, in denen gegen Eitelkeit gewettert wird, scheinen vorbei zu sein. Eltern setzen doch ihre Kinder teilweise auch schon auf Diät."

Androgyn

Das Magere und Androgyne habe schon immer eine gewisse Faszination auf Jugendliche ausgeübt und in Jugendkulturen immer wieder eine Rolle gespielt, erklärt Diana Weis. Auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, die sei nicht neu, nur "die Herstellung von Öffentlichkeit aus den eigenen vier Wänden heraus, die gab es so vorher nicht".

Und noch etwas hat sich ihrer Meinung nach verändert: "Während in den traditionellen Jugendkulturen die Musik im Zentrum stand, ist das von der Beschäftigung mit dem Körper und bestimmten ästhetischen Idealen abgelöst worden."

Vielleicht wären ja noch ganz andere Lücken zu schließen als die eine offensichtliche zwischen den Oberschenkeln. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 10.1.2014)