Neujahrsvorsätze sind Mumpitz. Sagen die, die drüber stehen. Oder es zumindest behaupten. Ich glaube ihnen nicht. Denn mein liebstes Straßen-Graffiti-Motto gilt schließlich auch an und um Neujahr: "The best moment to start is allways now" stand da nämlich einmal. Ob ich das am Grazer Murufer oder doch irgendwo am Donaukanal gelesen habe, ist mir aber entfallen. Doch das "Wo" spielt ohnehin keine Rolle: Wenn der beste Moment, den eigenen Hintern hoch zu bekommen, jetzt ist, kann das auch zum Beginn eines neuen Jahres passieren.

Und nur weil es konventionell und bieder ist, sie just zum Jahresbeginn zu proklamieren, sind Vorsätze per se noch lange nicht falsch. Wurscht, ob man sie heute, oder am 18. August fasst: Was zählt, sind Absicht, Initiative und Umsetzung. "Just do it" ist mehr als bloß ein Werbeclaim.

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Meine persönliche Laufliste für heuer ist nicht lang. Drei Marathons stehen drauf: Tokio - Ende Februar. Ein Schnellentschluss - mit zu wenig Zeit für fundiertes Aufbautraining. Das macht die Sache langsamer - und umso spannender.

Foto: AP/Toru Takahashi

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Dann Wien im Frühling - weil ich mit diesem Lauf noch eine Rechnung offen habe. Ich habe mich im Vorjahr noch am Tag des Rennens für den VCM 2014 angemeldet: Ich hatte mich unterwegs deppert gespielt - und mich ebenso deppert verletzt. Den Vienna City Marathon noch einmal in Angriff zu nehmen ist die Geschichte vom einem Mal öfter aufstehen, als man hinfällt. Auch wenn es weh tut. Freilich: Die Entscheidung, zwischen der halben oder der ganzen Strecke treffe ich am 13. April. Auf Höhe der Staatsoper.

Foto: APA/Niki Wagner

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Außerdem steht New York noch im Herbst an. Mit Freunden. Das ist weniger eine Frage der Startplatzlotterie, als eine des Reisebudgets.

Und zwischendurch ein paar Halbmarathons, einige Charity- und Spaßläufe. Nett, aber nicht so wichtig wie das - zumindest halbwegs - regelmäßige Begleitläufer-Laufen mit den Schülerinnnen und Schülern des Internats des Blindeninstitutes.

Foto: Reuters/SHANNON STAPLETON

Aber vor allem steht da eines am Plan: Laufen mit der Gang - und für mich selbst. Und zwar so, wie es sein soll. Nur: Das alles sind Vorhaben - aber keine Vorsätze.

Der echte Vorsatz lautet nämlich: Ohne Druck. Ohne Stress. Ohne den ständigen Blick auf Distanzen, Zeiten und Pulswerte. Laufen mit einem Lächeln. Und der verinnerlichten Gewissheit: Es ist nur Laufen. Es geht dabei um gar nichts - und genau das ist wahnsinnig viel.

Foto: Thomas Rottenberg

Das blöde an Vorsätzen ist, dass man in der Regel genau weiß, wieso man sie sich macht. Der Knackpunkt des Vorsatzes ist die in ihm implementierte Möglichkeit des Scheiterns. Sonst wäre ein Vorsatz kein Vorsatz, sondern eine Kinderjause. Die Vorlage "ehrgeizloses Laufen" kann genau das. Für mich zumindest. "Ehrgeizlos" klingt super - und bringt auch viel: Im Trainingsplan steht dann halt "regenerativ". Bloß: Es ist gar nicht so einfach, dann nicht doch Gas zu geben. Und ich bin auch prompt umgehend gescheitert

Und zwar beim Silvesterlauf: Als Quasi-Letzter über die Startlinie zu gehen (im Wortsinn) war keine Kunst...

Foto: Thomas Rottenberg

... und auf dem ersten Kilometer war ich auch nur fast geringfügig schneller als die vorher anvisierten 6 Minuten und  20 Sekunden pro Kilometer. Aber dann wollte ich eben doch sehen, wie die Kostümierten weiter vorne aussahen.

Foto: Thomas Rottenberg

Und als dann - etwa bei der Urania - ein gut 15 Jahre jüngerer Mann neben mir dahin trabte und mich fragte, ob ich ich sei, übernahm die Buben-Doofheit - und wir liefen Seite an Seite bis ins Ziel. Mit rund 4´30" pro Kilometer. Die Quittung dafür kam zwei Tage später: Beim ersten echten langen-langsamen Trainingslauf für Tokio meldete sich ein alter Bekannter zurück: Der beleidigte Meniskus im rechten Knie. Jippiayeah, Schweinebacke!

Foto: Thomas Rottenberg

Der erste Vorsatz war gebrochen, bevor das Jahr überhaupt begonnen hatte. Das Gute daran: So etwas spornt an - und erdet. Schließlich hagelt es ringsum derzeit Vorsätze. Und die Versuchung, die Ziele und Vorhaben der Anderen zu kommentieren und zu bewerten ist groß. Fast so groß, wie die, das Erreichen und/oder Nichterreichen der Ziele der Umwelt zu bewerten. Lob und Tadel zu verteilen. Sich selbst als Instanz zu sehen.

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Nur: Wer bin ich, die Anderen ob ihrer nicht oder halb eingehaltenen Versprechen an sich selbst zu kritisieren? Oder ihre Motive, ihren Biss oder ihre Ernsthaftigkeit in Frage zu stellen? Oder gar irgendwelche Bewegungs-Werte zu vergleichen. Oder gar in Relation zu denen anderer Leute zu stellen? Eben. Das Einzige, was ich mir anmaße, Menschen in puncto "Vorsätze" zuzurufen, habe ich auf einer Wand gelesen. In Vorbeilaufen. In Graz oder Wien. Von einem Unbekannten hingesprüht: "The perfect moment to start is allways now." (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 8.1.2013)

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