London - Jäger und Sammler im Osten des heutigen Marokko haben vor rund 15.000 Jahren außerordentlich stark unter Karies gelitten. Fast jedes bei Ausgrabungen gefundene Gebiss war verfault. Mehr als jeder zweite Zahn von Erwachsenen hatte mindestens ein Loch, schrieben Anthropologen in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften ("PNAS") berichten.
Das Team um Louise Humphrey vom Naturkundemuseum in London hatte 52 Gebisse untersucht. Normalerweise waren Jäger und Sammler nur sehr selten an Karies erkrankt. Aber die Menschen in Nordafrika haben sich vor allem von Eicheln und Pinienkernen ernährt, schreiben die Forscher. Diese enthalten den Angaben zufolge besonders viele Kohlenhydrate und sorgen für Beläge auf den Zähnen, die zu Karies führen. Deswegen sei die Zahnfäule so häufig gewesen wie in modernen industrialisierten Bevölkerungsgruppen, bei denen viel raffinierter Zucker und verarbeitetes Getreide Zähne kaputt macht.
Die Überreste der Kieferknochen und Zähne gehören zur Kultur der Iberomaurusien, die in der Mittel- und Spätsteinzeit in Nordafrika gelebt hat. 51 Prozent der Zähne hatten der Studie zufolge Löcher. Nur drei von 52 Erwachsenen wiesen keine Anzeichen für Karies auf.
Nach früheren Studien waren zwei bis 48 Prozent der Menschen, die Ackerbau betrieben, von Karies betroffen. Bei Jägern und Sammlern hatten höchstens 14 Prozent faule Zähne.
Kein typischer Jäger und Sammler
Karies entsteht, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen: Isst ein Mensch viel Stärke und Zucker, dann bilden sich auf den Zähnen Beläge, die nicht regelmäßig und gründlich weggeputzt werden. Im Speichel sind Bakterien (Streptococcus mutans, Anm.Red.). Diese Keime ernähren sich von den Kohlenhydraten des Zahnbelags. Dabei bilden sich Säuren, die den Zahnschmelz auflösen. Es entsteht ein Loch, das immer weiter in den Zahn vordringen kann.
Dass ausgerechnet die Menschen der Iberomaurusien-Kultur so viel Karies hatten, wie der moderne Mensch, hat den Forschern zufolge mehrere Gründe. Sie waren wohl keine typischen Jäger und Sammler mehr. So fanden die Forscher an der Ausgrabungsstätte Gefäße mit größeren Pflanzenresten wie Eichel-Kappen und Pinienkernen. Diese Funde sind zwischen rund 15.000 und 13.700 Jahre alt. Eicheln und Pinienkerne sind reich an Kohlenhydraten, die von Kariesbakterien zersetzt werden können.
Außerdem hätten die Menschen der Iberomaurusien-Kultur besonders häufig Schnecken gegessen. "Auch wenn diese nicht als Karies verursachend bekannt sind, so können Schleifpartikel von den Schnecken dazu beigetragen haben, dass die Zähne abgenutzt wurden", schrieben die Forscher. In den Kratzern konnte Karies besonders gut entstehen. (APA/red, derStandard.at, 7.1.2014))