Bild nicht mehr verfügbar.

Was die Deutschen haben, das fordern nun auch die SPÖ und die Grünen für Österreich: eine Generalstaatsanwaltschaft.

Foto: AP/THOMAS KIENZLE

Georg Zanger: Kein Staat im Staat soll entstehen.

Foto: Corn

Zum besseren Verständnis sei eingangs dargelegt, dass folgende Normen in Österreich der Kontrolle der Tätigkeit der Staatsanwälte dienen:

- Die Berichtspflicht gemäß § 8 Abs 1 Staatsanwaltsgesetz (StAG) und daran anknüpfende Weisungen.

- Das Weisungsrecht des Justizministers im Sinn des Art. 20 der Bundesverfassung (BVG).

Staatsanwälte müssen regelmäßig Vorhabens- bzw. Anlassberichte über Strafverfahren, an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, an Vorgesetzte (Gruppenleiter, Oberstaatsanwaltschaft, Sektionschef) erstatten. Wiederholt zwingen daran anschließende interne Weisungen - insbesondere in clamorosen oder politischen Strafverfahren -, Vorhaben abzublasen. Das erschwert nicht bloß, sondern verzögert und behindert oft die Arbeit der Staatsanwälte.

Beamte verschiedener politischer Gesinnung erlangen umfassenden Einblick in diese Verfahren. Wer gute Beziehungen hat, politisch gut vernetzt ist, kann es sich oft richten - eine Spielwiese für gut vernetzte Strafverteidiger!

Die Berichtspflicht und daran anschließende Weisungen vor allem der Oberstaatsanwaltschaft waren wiederholt die Ursache dafür, dass die eine oder andere Maßnahme, wie geplante Hausdurchsuchungen bei Banken und großen Unternehmen oder Festnahmen in der Öffentlichkeit stehender Personen, unterlassen wurde und Beschuldigte Beweise "rechtzeitig" beseitigen konnten. Manche anrüchigen Fälle haben mediale Öffentlichkeit erlangt und zu einem Vertrauensverlust in die Justiz geführt. Staatsanwälte, die mitansehen mussten, wie ihre Vorhaben revidiert wurden, passten sich - auch politisch - an oder suchten das Weite. Es besteht dringender Handlungsbedarf, die Berichtspflicht zu ändern!

Von der Berichtspflicht zu unterscheiden ist die Leitung der Verwaltung durch die obersten Organe des Bundes gemäß Art. 20 B-VG und die dadurch bestimmte ministerielle Verantwortung. Der Gesetzgeber darf Verwaltungsbehörden nicht derart einrichten, dass kraft des Organisationstypus die Erteilung von Weisungen durch die obersten Organe der Vollziehung ausgeschlossen ist. Das Weisungsrecht ist kein Privileg des Justizministers, sondern in gleicher Weise für die gesamte Verwaltung eingerichtet. Laut Verfassungsgerichtshof begründet "die Befugnis zur Leitung der Verwaltung ein Aufsichtsrecht der vorgesetzten Organe: Denn eine Leitung ohne Aufsichtsbefugnis ist nicht denkbar."

Verfassungsänderung

Das Volk, dessen Herrschaft in der Demokratie durch die Verfassung garantiert wird, kann durch seine Minister von oben eine Kontrolle ausüben. Die Abschaffung der ministeriellen Aufsichtspflicht wäre eine wesentliche Veränderung unserer Verfassung. Sie würde die Kontrolle durch das Volk beschränken und damit das demokratische Element in unserem Rechtsstaat infrage stellen.

Generell verfehlt wäre es jedenfalls, die Staatsanwaltschaft ähnlich der richterlichen Gewalt frei von wirksamer Kontrolle walten zu lassen. Die politische Besetzung von Ministerposten, insbesondere auch des Justizministers, ist Teil der demokratischen Rechte des Volkes. Das Volk soll dadurch vor einer beamteten Willkür geschützt werden. Der Präsident des OGH Dr. Eckart Ratz (Kleine Zeitung vom 13. 12. 2013) hat es auf den Punkt gebracht: Es geht nicht an, dass Staatsanwälte einen Staat im Staat bilden können. Wie Alfred J. Noll (im Standard vom 18. 12. 2013) richtig dargelegt hat, spricht kein Argument dafür, den Beamten der Staatsanwaltschaft die Bestimmung der Interessen des Staates zu überlassen.

Weisungen des Justizministers sind schriftlich zu erteilen und zu begründen, also transparent. Schließlich hat der Bundesminister für Justiz dem Nationalrat und dem Bundesrat jährlich über die von ihm erteilten Weisungen zu berichten.

Sieht man vom Fall Faymann ab, wo die Justizministerin ergänzende Erhebungen gefordert hat und dann doch dem Einstellungsvorschlag der Staatsanwaltschaft beigetreten ist, haben zuletzt unmittelbare Weisungen des Justizministers keine nennenswerte Rolle gespielt.

Wieso die vom Strafrechtsprofessor Richard Soyer (im Standard vom 30. 12. 2013) geforderte Generalstaatsanwaltschaft als oberste Spitze der Staatsanwaltschaft in Österreich unpolitisch agieren soll und eine bessere Lösung als das Weisungsrecht des Justizministers sein soll, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Dadurch wäre die Abschottung der Anklagebehörde von der politischen - sprich demokratischen - Kontrolle zementiert.

Kommt man wie Soyer zum Ergebnis, das Weisungsrecht des Ministers sei "weg"zuschaffen, so greift man damit in das Organisationsrecht der Verwaltung schlichtweg ein und bringt den Stufenbau unserer Verfassung ins Wanken. Worin soll dann die Verantwortung eines Justizministers liegen? Wer soll im Parlament Anfragen beantworten? Ein Generalstaatsanwalt? Der Verfassungsgesetzgeber hat dies offenbar nicht gemeint.

Beifall von Claqueuren

Es mag wohl den einen oder anderen Strafrechtler dazu verlocken, das Weisungsrecht abzuschaffen. Auch wenn er sich der Claqueure aus der Staatsanwaltschaft und der Journaille sicher sein kann:

Es ist der falsche Weg! (Georg Zanger, DER STANDARD, 7.1.2014)