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Wer so entspannt Eisklumpen im Bart trägt, dürfte schon einige Winter erlebt haben.

Foto: AP/Michelle Tessier

Milwaukee/Washington – Es passiert nicht oft, dass Amerikas Wettermänner vor einer heranziehenden Kältewelle warnen wie vor einer Katastrophe. Diesmal tun sie es in so dramatischen Tönen wie sonst nur vor einem Hurrikan. "Wenn Sie nicht unbedingt nach draußen müssen, lassen Sie es bleiben", rät Paul Douglas, ein erfahrener Meteorologe aus Minneapolis. "Nehmen Sie sich frei. Ich schreibe Ihnen eine Entschuldigung. Grund: strenger Winter."

Normalerweise ist Minneapolis, hoch im Norden der USA, keine Stadt, deren Bewohner sich von einem Kälteeinbruch leicht beeindrucken lassen. Am Montag war das anders, da verfügte der Gouverneur Mark Dayton, den Schulunterricht buchstäblich auf Eis zu legen, was zum letzten Mal während eines Blizzards im Jahr 1997 geschah. Schuld ist ein Schwall extrem frostiger arktischer Luft, der aus Kanada weit nach Süden schwappt.+

Minus 31 Grad am Montag

In Minneapolis wurden am Montag minus 31 Grad Celsius gemessen, im eisigen Wind sogar gefühlte minus 48 Grad. Rekord ist das nicht, der datiert vom 22. Jänner 1936, als die gefühlte Temperatur bei minus 55 Grad lag. Aber es reichte, um die Kommune sämtliche Parks sperren zu lassen, schon um etwaigen Langlauftouren auf Skiern vorzubeugen.

Falls nackte Haut der klirrenden Kälte ausgesetzt werde, fügte Paul Douglas warnend hinzu, könne es innerhalb von fünf Minuten zu Erfrierungen kommen. Reporter von CNN wiederum haben sich darauf spezialisiert, angeblich kochendes Wasser aus kleinen Bechern gen Himmel zu schleudern, um marktschreierisch kundzutun, dass es im Nu gefriert.

Dienstag möglicherweise kältester Tag

Am Dienstag strömt die arktische Luft bis in den tiefen Süden, bis nach Atlanta in Georgia, wo das Quecksilber dann niedrigere Werte anzeigen dürfte als in Anchorage in Alaska. Betroffen wird auch die Ostküste sein, wo man sich nach einem Schneesturm drei Tage nach Silvester gerade erst freigeschaufelt hat. Kurzum, nach Prognosen der Commodity Wea­ther Group könnte der Dienstag im amerikanischen Durchschnitt als kältester Tag seit dem 19. Jänner 1994 in die Annalen eingehen.

An zahlreichen Flughäfen zwischen Atlantikküste und Mittlerem Westen sind verspätete oder abgesagte Flüge bereits seit Tagen die Norm. Allein in Chicago O'Hare, einem der wichtigsten Luftkreuze des Landes, wurden am Sonntag 1200 Verbindungen ge­strichen. Auf dem New Yorker Kennedy Airport rutschte eine aus Toronto kommende Maschine bei einem Schwenk nach der Landung über die glatte Rollbahn. Sie kam in einer Schneewehe zum Stehen, woraufhin der gesamte Flugverkehr für zwei Stunden unterbrochen wurde.

Football im tiefsten Winter

Dann sind da noch die Football-Spieler mit ihrem Harte-Männer-Image, die sich von ein bisschen Frost nicht aus der Bahn werfen lassen. Am Sonntagabend stand in Green Bay das Match zwischen zwei Traditionsteams der National Football League auf dem Kalender, den Green Bay Packers und den San Francisco 49ers.

Wer erwartet hatte, dass die Partie abgeblasen würde, sah sich getäuscht. Bei rund zwanzig Grad unter null kamen 77.000 Zuschauer, volles Stadion, beste Stimmung, Winter in Wisconsin eben. Gewonnen haben die Gäste vom Pazifik, was umso bemerkenswerter ist, als San Francisco als klima­verwöhnte Metropole des ewigen Frühlings gilt. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 7.1.2014)