Tunis - Tunesiens Nationalversammlung hat weitere Artikel der neuen Verfassung angenommen und dabei erstmals in der Landesgeschichte auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau beschlossen. "Alle männlichen und weiblichen Staatsbürger haben dieselben Rechte und Pflichten.

Vor dem Gesetz sind sie gleich, ohne Benachteiligung", heißt es in Artikel 20 des Verfassungsentwurfs, der am Montag mit 159 von 169 abgegebenen Stimmen verabschiedet wurde. Das Votum über Artikel 45, der ausdrücklich Frauenrechte und Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern garantiert, sollte später erfolgen.

Kritik von NGOs

Tunesien gewährt Frauen seit 1959 mehr Rechte als andere arabische Staaten, diskriminiert sie aber in manchen Lebensbereichen nach wie vor. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International und Human Rights Watch hatten im Voraus kritisiert, dass in der am Montag verabschiedeten Passage nur von "Staatsbürgern" die Rede sei und das Gleichheitsprinzip damit nicht für Ausländer gelte. Verboten gehöre aber grundsätzlich "jede direkte und indirekte Benachteiligung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder anderer Meinungen, nationaler oder sozialer Herkunft, Besitz, Geburt oder anderer Faktoren".

Die neue Verfassung soll drei Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Zine El Abidine Ben Ali verabschiedet werden. Die Sitzung der Nationalversammlung hatte am Freitag begonnen. Bis zum dritten Jahrestag der Entmachtung von Ben Ali am 14. Jänner sollen die Delegierten über alle 146 Verfassungsartikel und etwa 250 eingereichte Änderungsanträge abgestimmt haben.

Volksreferendum möglich

Damit die Verfassung in Kraft treten kann, müssen mindestens zwei Drittel der 217 Abgeordneten diese annehmen, ansonsten entscheidet das Volk darüber in einem Referendum. Der Text ist das Ergebnis mehr als zweijähriger Debatten zwischen den regierenden Islamisten und der Opposition. Der Entwurf war im Sommer nach langen Verzögerungen fertiggestellt worden, viele Abgeordnete waren jedoch unzufrieden mit dem Ergebnis.

Sobald die Verfassung verabschiedet, ein Wahlgesetz erlassen und eine Wahlkommission ernannt worden sind, will die Übergangsregierung von Premierminister Ali Larayedh die Macht an den bisherigen Industrieminister Mehdi Jomaa übergeben. Der parteilose Politiker soll dann Neuwahlen vorbereiten. (APA, 6.1.2014)