(Wien. Gemeindewohnung. An einem Fenster im Bühnenhintergrund, Rücken zum Publikum, ein Mann und eine Frau Ende zwanzig. Sie blicken nach draußen.)

ER: Jetzt sind gegenüber auch welche. Wenn das so weitergeht, sind wir bald die Minderheit.

SIE (kopfschüttelnd): Ich verstehe nicht, dass der Staat das zulasst.

ER: Was soll er denn machen, der Staat? Hat ja nix mehr zum Reden durch die EU! Oder es heißt, die Wohnung gehört der Schwester, schon fahrt die Eisenbahn drüber.

SIE: Genau. Auf einmal haben sie alle Verwandte bei uns. Unverschämtheit, oder? Ich meine, ich hab' echt nichts gegen Ausländer, aber die ...

(Pause. Sie starren aus dem Fenster.)

ER: Nicht einmal ihre Vorhänge ziehen sie zu. Ich frag' mich nur, warum nicht. Interessiert doch keinen Menschen, was die tun.

SIE: So sind sie halt. Das ist ihre Kultur.

ER (auflachend): Als wenn die eine Kultur hätten! Allein ihre Sprache! Eine Halskrankheit!

SIE: Und hast du gesehen, was die essen?

ER: Zum Kotzen, ja.

(Pause. Die Frau wendet sich ab, geht zum Fernseher und schaltet ihn ein. Ein Musikkanal. Ton sehr laut. Sie setzt sich in einen Lehnsessel.)

SIE (den Fernseher übertönend): Sie haben einfach keinen Charakter, das ist es. Wenn sie einen Charakter hätten, täten sie bei sich bleiben und auf die Straße gehen für höhere Löhne, nicht uns unsere Arbeitsplätz' wegnehmen.

(Auch der Mann verlässt seinen Platz am Fenster und setzt sich in einen Lehnsessel. Sie sehen fern.

Pause.

Es läutet. Die Frau steht auf und öffnet. Draußen eine junge hellhaarige Frau, ein Kleinkind im Arm.)

DIE FRAU (schüchtern): Bardohn, ober gänn' Se vielleisch -

SIE (unwirsch): Nix Gänsefleisch! Hammer nicht! Wiederschaun!

(Wirft die Tür zu.

Vorhang)

(Antonio Fian, Album, DER STANDARD, 4./5./6.1.2014)