Washington/Bonn/Wien - In den USA schielt Mobilfunkriese Sprint auf den Konkurrenten T-Mobile und Gigant AT&T angeblich auf Vodafone. In Europa schluckt Telefónica E-Plus und Vodafone Kabel Deutschland - auch der Deutschen Telekom werden Fusionsambitionen nachgesagt. In Wien gilt es angesichts des niedrigen Aktienkurses als Frage der Zeit, bis Großaktionär America Movil aus Mexiko seinen Anteil an A1 Telekom Austria aufstockt und den teilstaatlichen Ex-Monopolisten beherrscht.
Auf die Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden in Europa sind weder Deutsche-Telekom-Chef Tim Höttges noch die alternativen Netzbetreiber gut zu sprechen: Europas Telekomindustrie drohe zu einem Übernahmeobjekt statt zu einer wettbewerbsfähigen Branche zu werden, warnen Manager dieser Tage.
Es geht um den europäischen Telekommunikationsmarkt, der zunehmend die Begierde großer Konzerne aus Übersee weckt. Mehr als 200 Anbieter tummeln sich auf einem zersplitterten Markt mit einem Volumen von mehr als 270 Milliarden Euro. Und der steht vor in einem tiefgreifenden Umbau. Milliardeninvestitionen sind in den kommenden Jahren allein für den Ausbau superschneller Mobilfunk- und Glasfasernetze zu stemmen. Dazu ist Größe nötig. "Wir laufen Gefahr, dass der Infrastrukturausbau in Europa gegenüber den USA und Staaten in Asien ins Hintertreffen gerät", warnt Höttges.
Europa hinkt hinterher
Tatsächlich hinkt Europa diesen Ländern hinterher - sowohl bei Glasfasernetzen als auch beim neuen Mobilfunkstandard LTE. In einer Studie für den europäischen Telekomverband ETNO schlägt Berater Boston Consulting Alarm: Der Zugang zu Glasfaserverbindungen sei in Asien und Nordamerika 20 Mal und die Verbreitung schneller LTE-Mobilfunknetze 35 Mal größer als in Europa.
Die Topmanager der großen Telekomkonzerne schmieden nun ihrerseits Zukunftspläne - nach dem Motto: Fusionieren und Größe gewinnen. In Spanien schickt sich Marktführer Telefónica an, Telecom Italia vollständig zu schlucken. In Deutschland stehen die Spanier vor einem bedeutenden Schritt im Mobilfunk: Die Übernahmepläne des drittgrößten deutschen Betreibers E-Plus durch Telefónica Deutschland liegen zur Prüfung bei der EU-Kommission.
Mobilfunkriese Vodafone, der nach dem milliardenschweren Verkauf seiner Anteile an dem US-Mobilfunkunternehmen Verizon mit prall gefüllter Kriegskasse nach neuen Anlagen sucht, hat Kabel Deutschland geschluckt und damit sein Festnetzgeschäft ausgebaut. Interesse wird den Briten auch an Liberty Global nachgesagt, um die Geschäftssparte auch in anderen Ländern abzurunden.
Gleichzeitig sind Vodafone und Telefónica als mögliche Übernahmekandidaten ins Fadenkreuz des US-Riesen AT&T geraten. Ob sich solche Ambitionen umsetzen lassen, ist allerdings fraglich. Sicher ist nur, dass die Amerikaner ihre Fühler nach Europa ausstrecken. Zukäufe sind schon deshalb attraktiv, weil die Unternehmen an der Börse vergleichsweise niedrig bewertet sind.
Achse in Orange und Pink
Aber auch in den USA dreht sich das Fusionskarussell. Jetzt soll angeblich der Betreiber Sprint mit seinem neuen japanischen Mutterkonzern Softbank eine Übernahme der Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile prüfen. Aus Wettbewerbsgründen würde ein solcher Deal bei den Behörden wohl auf Widerstand stoßen, meinen Experten. Trotzdem: Ein Ausstieg der Telekom in den USA ist nicht auszuschließen, die Mittel könnte der Konzern in Europa gut gebrauchen.
Für die Bonner haben Medien den geborenen Partner ohnehin bereits ausgemacht: Die frühere France Télécom, die sich heute Orange nennt. Auf verschiedenen Gebieten gibt es zwischen den Konzernen, die vor vielen Jahren schon einmal verbandelt waren, bereits eine enge Zusammenarbeit - so im Mobilfunk-Joint-Venture Everything Everywhere in Großbritannien. (dpa; ung, DER STANDARD, 2.1.2014)