London - Aus ethischer Sicht liefert die Herstellung "überzähliger" Embryonen die größte Angriffsfläche der künstlichen Befruchtung: Es werden mehr Eizellen befruchtet, als in die Gebärmutter eingepflanzt werden, die "überzähligen" friert man ein.

Der Sinn? Wird die Frau nicht schwanger, muss sie sich nicht erneut einer belastenden Hormonkur zur Produktion reifer Eizellen unterziehen, ihr werden die gelagerten Embryonen implantiert. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht schwanger wird, ist hoch: Maximal 30 Prozent aller künstlichen Befruchtungen sind erfolgreich. Oft wegen der Samenqualität.

Also ersann eine brasilianische Forschergruppe um den Fortpflanzungsbiologen Dmitri Dozortsev eine Technik, genetisch defekte Spermien bereits auszusondern, bevor sie in vitro in eine Eizelle gelangen. Nach einem Bericht des Fachmagazins Nature vom Montag könnte diese Methode - wenn sie funktioniert - Teile der ethisch ebenfalls umstrittenen "Präimplantationsdiagnostik" (Pid) ersetzen.

Bei dieser wird dem künstlich erzeugten Embryo eine Zelle entnommen, die darin enthaltene Erbsubstanz auf vermutete Gendefekte untersucht, die etwa zu schweren Missbildungen führen könnten. Bei Vorliegen solcher Schäden wird der Embryo der Frau nicht implantiert.

Beim neuen Sperma-Screening der Brasilianer wird die Hülle der Samenzellen aufgebrochen, die darin enthaltene DNA auf Defekte analysiert. Liegen keine vor, wird die Samenzelle zur Befruchtung einer Eizelle verwendet. Einziges Problem: Noch sind bei diesem Verfahren Temperaturen von rund 100 Grad Celsius nötig, was den Großteil des Samens zerstört. "Nur ein Drittel der so analysierten und in Eizellen implantierten Samenzellen führte zur Entwicklung von Embryonen, die mehr als drei Tage überlebten", berichtete Dozortsev dem Magazin.

Der Forscher ist jedoch sehr zuversichtlich: An einer Technik mit weit geringeren Temperaturen werde bereits gearbeitet, bald sei dieses Hitzeproblem gelöst.

Im Hinblick auf die Pid hoffen die Forscher, so auch Samenzellen herausfiltern zu können, die nach Befruchtung zwar zu entwicklungsfähigen Embryonen führen, jedoch defekte Gene beinhalten, die etwa mit Zystischer Fibrose, Muskeldystrophie und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht werden. (fei/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 8. 2003)