Salzburg - Eine der herausragenden Eigenschaften des Musikers Heinrich Schiff ist es geblieben, ein (man verkneift es sich zu sagen: sein) Publikum in einer gespannten Atmosphäre der fruchtbaren, gelegentlich auch provokanten Ungemütlichkeit zu verwöhnen und zugleich an der gleichsam langen Leine der Verweigerung zappeln zu lassen.

Schon die Werkwahl seines Solistenkonzerts im voll besetzten, dampfenden, immer noch einer klimatischen Flurbereinigung harrenden Salzburger Mozarteum zeigte es unmissverständlich: Hier macht einer Ernst, der sich seines Cellospiels im Dunklen wie im Sopranhaften gewiss ist, der sich um schmuckes Virtuosengeplänkel nicht scheren muss.

Eine neue, kantige und ätzend verspielte Sequenza des kürzlich verstorbenen italienischen Komponisten Luciano Berio (die Nr. 14 in einem ereignisreichen, für die Musikgeschichte wegweisenden "Zyklus"!) eröffnete im cellistischen Alleingang einen Abend von rumorender Nervigkeit bis weit über die Grenzen streicherischer Gesittetheit hinaus, unter dessen folgenden Klängen und Geräuschen der Pianist Alexander Lonquich in den genial-verqueren Beethoven-Sonaten op. 102 für kämpferische, rechtens unvermittelt liebliche Akzente bürgte.

So schmeckte die abschließend gebotene Claude-Debussy-Sonate unter diesen Umständen wie eine französische Expositur des deutschen Expressionismus: sehrend, zuweilen rabiat zugespitzt und immer auf Lebhaftigkeit hin angelegt.

Schumanns Fantasiestück op. 73 Nr. 1 als (leider) einzige Zugabe glitt und schwelgte dann wie eine instrumental verwobene Gemütsarabeske durch den Saal. Ein Wunderbeispiel gesteuert enthemmten Cello- und Klaviersingens. Man hätte noch mehr von dieser Art des Musizierens vertragen, aber Heinrich Schiff schien es leider des Gebotenen genug zu sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2003)