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Moore ist höchst aktiv. Im Vorjahr hat er Plenty Good Lovin': The Lost Solo-Album aus 1971 veröffentlicht.

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Sam Moore ist einer der in "Only The Strong Survive" gezeigten Soul- Zeitzeugen: "Wer nach unserer Show immer noch Rassist sein wollte, dem war nicht zu helfen."

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Eine der noch aktiven Größen der Soulmusik-Ära – Sam Moore von Sam and Dave – sprach mit dem STANDARD über Otis Redding, die Tage der Rassentrennung und den schlechtesten Film aller Zeiten.

Wien – Selbst mit seinen 67 Jahren ist Sam Moore noch Dynamit. In seinen überlegten Tonfall, der ihn hübsch formulierte Sätze, Anekdoten und Geschichten erzählen lässt, platzt immer wieder ein Lachen oder ein anderer Energieanfall, der dem zufriedenen US-Pensionisten eine Präsenz verleiht, die sich aus über 40 Jahren Bühnenerfahrung speist: "Ich habe in Blues Brothers 2000 mitgespielt. Mann, das ist wirklich der schlechteste Film aller Zeiten – außer der Musik!"

Sam Moore ist neben Wilson Pickett, Jerry Butler, Isaac Hayes, Rufus und Carla Thomas, Ann Peebles und anderen eine jener Soulmusik-Legenden, auf deren Suche sich die Dokumentarfilmer Chris Hegedus und Don Allen Pennebaker begaben, um die Frage "Was machen diese Künstler eigentlich heute?" mit dem Film Only The Strong Survive zu beantworten.

Früher nannte man Moore und seinen Partner David Prater – alias Sam and Dave – "Double Dynamite". Ein Duo, das mit Songs wie Soul Man, Hold On, I'm Coming und einem guten Dutzend Hits mehr zu den größten Stars des Genres zählte. Als sie mit der Stax-Soul-Revue in den späten 60ern erstmals nach England kamen, schickten ihnen die Beatles Limousinen zum Flughafen, wo sie von Tausenden Fans empfangen wurden: "Ja, das war etwas ungewohnt, dass einem so viele Weiße zujubelten", grinst Moore heute.

Nach einem ihrer energiegeladenen Auftritte auf der Insel tat der Star der Revue, der 1967 verunglückte Otis Redding, einen berühmt gewordenen Ausspruch: "Get their asses off the stage! They are killing my audience."

Moore: "Dave und ich spielten unsere Show, gingen von der Bühne und sagten: ,Der Nächste bitte!‘" Dass das Publikum nach ihren Auftritten meist ausgetauscht werden musste, sollte ihren Freund Otis Redding anspornen, eine ebenso starke Show zu etablieren, wie Sam and Dave sie boten. Wurde diese eigentlich geprobt? "Natürlich nicht! Wir haben die Songs geprobt. Die Show entstand ganz natürlich. Nicht wie heute, wo es eher umgekehrt ist."

Getrenntes Publikum

Anfang der 60er spielten Sam and Dave noch in einem von Rassentrennung geprägten Amerika. Moore: "Wir mussten oft zwei Shows spielen. Eine für ein weißes, eine für das schwarze Publikum. Die Weißen waren immer zuerst dran. Wir scherzten und sagten: Ja, die dürfen halt noch nicht so lange aufbleiben. Aber es war hart damals. Man durfte nicht im selben Restaurant essen oder im selben Hotel wie Weiße schlafen. Wir übernachteten bei Freunden oder – noch besser – bei Freundinnen."

Das Stax-Label galt als Vorzeigemodell eines intelligenten, produktiven Miteinanders. Moore: "Als die Bürgerrechtsbewegung stärker wurde, bot man uns immer öfter an, in Universitäten und Colleges aufzutreten. Und das in wirklichen Redneck-Staaten wie Arkansas oder Alabama. Auch dort stand das Publikum zuerst getrennt im Saal. Aber sobald wir zu spielen begannen, vermischte es sich, und alle tanzten miteinander. Wer danach immer noch Rassist sein wollte, dem war nicht zu helfen."

Nach sieben Jahren ununterbrochener Präsenz in den Rhythm-'n'-Blues-Charts trennten sich Sam and Dave 1970, um unregelmäßige, von persönlichen Differenzen geprägte Reunions zu begehen. Die 70er waren nicht Moores Jahrzehnt. Im Film erzählt er, wie er sich in New York als Dealer seine Drogensucht finanziert hat. Einer seiner Stammkunden war der Komiker John Belushi, der 1980 zusammen mit Dan Akroyd das Sam-and-Dave-Konzept für Blues Brothers adaptierte. Während Moore seine Sucht besiegte und wieder arbeitete, starb Dave Prater, schwer drogensüchtig, 1988 bei einem Autounfall.

Moore ist höchst aktiv. Im Vorjahr hat er Plenty Good Lovin': The Lost Solo-Album aus 1971 veröffentlicht. Er drehte Filme mit John Cusack und Tim Robbins, hat mit Größen wie Lou Reed und Paul Simon gearbeitet, und Dokumentarfilmer stehen zurzeit bei ihm Schlange. Memphis Soul ist ein Dauerbrenner.

Only The Strong Survive zeigt ihn auf einer Geburtstagsparty für Isaac Hayes. Moore: "Das war kurz wie früher. Aber wir sind keine Familie mehr. Sam and Dave standen nicht einmal auf der Gedenktafel des Stax-Studios vermerkt. Aber ich war nicht bitter darüber, sondern eher verwundert."

Schade findet Moore, dass es für seine Generation heute kaum noch Labels gibt: "Heute ist alles Marketing und Produktion. Und so klingt die Musik dann auch oft. Sie berührt mich nicht. Ich komme aus der Generation der Showmen. Ein solcher bin ich, und ein solcher bleibe ich hoffentlich noch lange." Noch Wünsche? "Ja, sicher! Ruf die Wiener Sängerknaben an und sag ihnen, Onkel Sam würde ihnen gerne Soul beibringen." (Karl Fluch/ DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2003)