montage: derstandard.at
Alle Zeichen stehen auf Rot: Meldungen über die zunehmend gespannte Situation auf den Arbeitsmärkten häufen sich. Im einstigen Jobwunderland USA sieht es nach Platzen der New Economy-Blase düster aus. Führende High Tech-Unternehmen planen massive Auslagerungen. Diesmal wird es auch das hochqualifizierte IT-Personal treffen. In Europa dürfte Ähnliches bevorstehen. Und unsere deutschen Nachbarn erleben zur Zeit den grandiosen Hartz-Plan und Schröder’s Agenda 2010 zur Lösung der „Arbeitslosenfrage“: Aufweichen von Zumutbarkeitsbestimmungen, Kürzung von Arbeitslosengeld, Repression gegen Arbeitslose. Auch in Österreich sind die Zumutbarkeitsbestimmungen im Visier, die Notstandshilfe droht reformiert zu werden.

Gehinrwäsche

Was ist da geschehen? War in den Achzigern noch allerorten vom „Ende der Arbeitsgesellschaft“ die Rede, so hört man mittlerweile kein Wort mehr davon. Zwar ist das Problem heute offensichtlicher denn je. Die neoliberale Gehirnwäsche aber scheint den Realitätssinn einzutrüben.

Längst haben die Sättigung der Binnenmärkte und die Revolution der Mikroelektronik dem „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit den Garaus gemacht. Vollbeschäftigung ist seither Vergangenheit. Durch Staatsverschuldung und einen Boom der Börse glaubte man sich über die prekäre Lage der Realwirtschaft hinweglügen zu können. Doch diese Schwindeltour ist nun an ihr Ende gekommen. Was den Lenkern der maroden Volkswirtschaften bleibt, sind Zwangsarbeitsprogramme Marke „Hartz“. Wo aber jede Voraussetzung für eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung fehlt, da wird auch keine einzige Zwangsmaßnahme die Lösung bringen. Kein Wunder also, dass die neoliberale Lügengeschichte, wonach die Arbeitslosen an ihrem Schicksal „selber schuld“ seien, immer schriller wird.

Aus Arbeitsreligion wird Wahnwitz

Diese Situation hat etwas Gespenstisches. Als wäre schon der bloße Gedanke an eine Politik der Arbeitszeitverkürzung, an ein Leben in Ruhe und in Muße ausradiert, steigert sich die Arbeitsreligion zum blanken Wahnwitz. Niemals war unsere Gesellschaft so reich wie heute. Doch es herrscht ein Gefühl des nationalen Notstands. Die massenhafte freie Zeit erscheint uns nur als Massenarbeitslosigkeit.

Und die Gewerkschaften? Die wirken wie hypnotisiert. Selbst das härteste Kampfmittel Streik scheint immer mehr zu versagen. Von einer innovativen Perspektive jenseits der Vollbeschäftigung fehlt jede Spur. Bei struktureller Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Dauerkrise stehen sie daher auf verlorenem Posten. So erklärt sich auch ihr Eifer für die Konkurrenzfähigkeit des nationalen Wirtschaftsstandorts; auf Kosten der Wettbewerbsschwachen, versteht sich. Wie es aussieht, werden Regierungen und Gewerkschaften also noch eine Weile weiter versuchen, den lecken Wirtschaftstanker auf einen Kurs zu bringen, der bereits hinter ihm liegt: Vollbeschäftigung.

Nachlese

--> In die Krise steuern --> Für die Gesunden wird's billiger --> EU: Wasser ist Ware – und sonst nichts --> Der Preis des langen Lebens --> Schenkungssteuer für alle --> Brennpunkt Brennerautobahn --> EU-Zinsregelung: Kuhhandel mit Folgen --> Gentech: WTO gegen Demokratie --> Mit uns ist zu rechnen --> Vergessene Schrauben der Pensionen --> Gender im neuen Budget --> Venezuela: Erstes Land mit Tobinsteuer --> Die geraubte Wunschfigur --> Haftung für Diktaturen --> Wege aus der Schuldenkrise --> Synergien für Renditejäger --> Bankgeheimnis und Globalisierung --> Das schwarze und das blaue Gold --> Lokal denken, global handeln – zur Kriegslogik der USA --> GATS oder der Angriff auf die armen Länder