Gehinrwäsche
Was ist da geschehen? War in den Achzigern noch allerorten vom „Ende der Arbeitsgesellschaft“ die Rede, so hört man mittlerweile kein Wort mehr davon. Zwar ist das Problem heute offensichtlicher denn je. Die neoliberale Gehirnwäsche aber scheint den Realitätssinn einzutrüben.
Längst haben die Sättigung der Binnenmärkte und die Revolution der Mikroelektronik dem „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit den Garaus gemacht. Vollbeschäftigung ist seither Vergangenheit. Durch Staatsverschuldung und einen Boom der Börse glaubte man sich über die prekäre Lage der Realwirtschaft hinweglügen zu können. Doch diese Schwindeltour ist nun an ihr Ende gekommen. Was den Lenkern der maroden Volkswirtschaften bleibt, sind Zwangsarbeitsprogramme Marke „Hartz“. Wo aber jede Voraussetzung für eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung fehlt, da wird auch keine einzige Zwangsmaßnahme die Lösung bringen. Kein Wunder also, dass die neoliberale Lügengeschichte, wonach die Arbeitslosen an ihrem Schicksal „selber schuld“ seien, immer schriller wird.
Aus Arbeitsreligion wird Wahnwitz
Diese Situation hat etwas Gespenstisches. Als wäre schon der bloße Gedanke an eine Politik der Arbeitszeitverkürzung, an ein Leben in Ruhe und in Muße ausradiert, steigert sich die Arbeitsreligion zum blanken Wahnwitz. Niemals war unsere Gesellschaft so reich wie heute. Doch es herrscht ein Gefühl des nationalen Notstands. Die massenhafte freie Zeit erscheint uns nur als Massenarbeitslosigkeit.
Und die Gewerkschaften? Die wirken wie hypnotisiert. Selbst das härteste Kampfmittel Streik scheint immer mehr zu versagen. Von einer innovativen Perspektive jenseits der Vollbeschäftigung fehlt jede Spur. Bei struktureller Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Dauerkrise stehen sie daher auf verlorenem Posten. So erklärt sich auch ihr Eifer für die Konkurrenzfähigkeit des nationalen Wirtschaftsstandorts; auf Kosten der Wettbewerbsschwachen, versteht sich. Wie es aussieht, werden Regierungen und Gewerkschaften also noch eine Weile weiter versuchen, den lecken Wirtschaftstanker auf einen Kurs zu bringen, der bereits hinter ihm liegt: Vollbeschäftigung.
Nachlese