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Foto: APA/EPA/Matthew Fearn
London - Dreieinhalb Wochen nach dem Selbstmord des britischen Waffenexperten David Kelly hat Ermittlungsrichter Lord Hutton am Montag die ersten Zeugen vernommen. Die Befragungen ergaben Hinweise auf den Wissensstand Kellys über Geheimdienstinformationen. Der Waffenexperte und Berater des Verteidigungsministeriums war die wichtigste Quelle für einen BBC-Bericht, wonach die Londoner Regierung die Bedrohung durch Saddam Hussein aufbauschte, um den Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen.

Der Personalchef des Verteidigungsministeriums, Richard Hatfield, sagte aus, dass Kelly vollen Zugang zu Geheimdienstberichten gehabt habe. Der Rundfunksender BBC hatte Kelly als "ranghohe Geheimdienstquelle" in ihrem Bericht bezeichnet, mit dem sie Premierminister Tony Blair bei seiner Begründung für den Krieg in schwere Bedrängnis gebracht hatte. Die Regierung wies die BBC-Beschreibung Kellys zurück und nannte ihn lediglich einen "technischen Experten".

Hatfield sagte demgegenüber, Kelly habe das Geheimdienstmaterial anfordern können, "das er kennen musste". Auch dass Kelly mit Journalisten gesprochen und Kontakt gesucht habe, habe "definitiv zu seiner Arbeitsplatzbeschreibung gehört". Kelly hätte aber wissen müssen, dass er sich nach den Medienrichtlinien des Ministeriums hätte verhalten müssen, zu denen gehöre, nicht "politisch kontroverse Fragen zu diskutieren". Dass Kelly erklärt habe, diese Richtlinien nicht gekannt zu haben, habe ihn überrascht, fügte Hatfield hinzu.

Kelly habe sich vermutlich zwei Mal mit dem BBC-Reporter Andrew Gilligan ohne Wissen des Verteidigungsministeriums getroffen. Dabei sei er "klar über das hinausgegangen, was technische Informationen sind". Zurückblickend sei sein Eindruck der, dass Kelly "das nicht habe tun können, ohne zu erkennen, dass er über seinen Ermessensspielraum hinaus geht", sagte Hatfield.

Ein ehemaliger Kollege beschrieb zuvor Kelly als Fachmann, der sowohl in Großbritannien als auch in den USA ein hohes Ansehen genossen habe. Terence Taylor, der jetzt das Internationale Institut für Strategische Studien in Washington leitet, sagte per Videoübertragung aus Australien, Kelly habe in den 90er Jahren als UNO-Waffeninspekteur zu unverzichtbaren Erkenntnissen über das damalige irakische Biowaffenprogramm beigetragen. "Seine Arbeit im Irak war bemerkenswert erfolgreich", sagte Taylor, leitet. "Er war sehr zielstrebig."

Am (morgigen) Dienstag war die Vernehmung von BBC-Korrespondent Gilligan geplant, dem Autor des umstrittenen Berichts vom 29. Mai. Auch BBC-Nachrichtenchef Richard Sambrook soll befragt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt will Hutton auch Premierminister Tony Blair und Verteidigungsminister Geoff Hoon vorladen.

Kelly war am 18. Juli in der Nähe seines Hauses im südenglischen Abingdon mit aufgeschnittenen Pulsadern gefunden worden. Drei Tage zuvor hatte er vor einem Parlamentsausschuss zu dem BBC-Bericht ausgesagt. Kellys Tod führte Blair in die größte politische Krise seit seinem Amtsantritt vor sechs Jahren. Ein Blair-Sprecher hatte sich vergangene Woche dafür entschuldigen müssen, dass er Kelly öffentlich als Fantasten hingestellt hatte.

Laut einer Umfrage im Auftrag der konservativen "Mail on Sunday" halten mehr als zwei Drittel der britischen Wähler ihre Regierung mittlerweile für unglaubwürdig. 47 Prozent waren der Meinung, "dass man Tony Blair kein Wort glauben kann". 37 Prozent befürworteten nach den Äußerungen seines Sprechers seinen Rücktritt.(APA/AP)