Hundert Tage sind im Irak vergangenen, seit US-Präsident George W. Bush das Ende der großen "Kampfhandlungen" verkündete. Zumindest an den Erwartungen gemessen, die seine Regierung mit dem gewaltsamen Regimewechsel in Bagdad wecken wollte, fällt die Bilanz ernüchternd aus: Der Irak im Monat vier nach Saddam gibt weit mehr Anlass zur Sorge als zur Hoffnung. Bagdads Straßen sind - auch nach Aussagen der US-Militärs - zur Kampfzone geworden, Strom und Wasser immer noch ein Zufallsgut, die Ölproduktion bleibt selbst unter dem Niveau der Sanktionsjahre. Wie hoch dafür der Preis für die Freiheit ist, erfahren die Iraker täglich aufs Neue.

Nicht dass vor dem Feldzug niemand gewarnt hätte: vor dem Machtgewinn religiöser Eiferer, die nun nach und nach über das Alltagsleben bestimmen, oder vor der Guerilla, die aus den Trümmern des Saddam-Regimes erstanden ist. "Die Exit-Strategie fehlt", hatte der deutsche Außenminister Joschka Fischer dem amerikanischen Verteidigungsminister einen Monat vor dem Krieg ins Gesicht gesagt. Seit dem Terroranschlag auf die jordanische Botschaft in Bagdad wissen die Iraker auch, dass sie selbst zur Zielscheibe in einem "Heiligen Krieg" gegen die amerikanische Besatzung geworden sind.

Der Irakkrieg ist geschlagen, doch sein Hauptakteur diskreditiert. Das ist die große Schwäche der amerikanischen Nachkriegsordnung. Die US-Regierung muss sich gegen Vorwürfe wehren, sie hätte die Kriegsgründe manipuliert. Sie hat die Anforderungen für den Wiederaufbau des Landes maßlos unterschätzt und greift nun nach allen Möglichkeiten, um die eigenen Truppen zu entlasten. Sie musste mangels Wahlen eine Marionettenregierung installieren. Nun verliert auch der Marsch der Hightecharmee auf Bagdad an militärischem Glanz, den ihm die Sprecher des Pentagons verliehen haben: durch den Einsatz von Napalmbomben, die nicht Napalmbomben heißen dürfen.(DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.8.2003)