Jeffrey Taylor: "In Europa hat man derzeit wohl das beste Aufholpotenzial, was die Unternehmensgewinne betrifft."

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Standard: Auch 2013 ist die Eurozone noch geschrumpft, Aktienmärkte aber haben Gewinne verzeichnet. Wie wird es 2014 weitergehen?

Taylor: Blickt man zurück, so hat sich etliches getan, die Risiken gehen zurück. Anleger müssen die Aussichten für Europa neu bewerten, denn die gesamtwirtschaftliche Lage hat sich verbessert. 2014 wird es wieder reales Wachstum und damit wohl auch Gewinnwachstum bei den Unternehmen in Europa geben.

Standard: Aber gerade für Südeuropa bestehen noch deutliche Unsicherheiten, oder nicht?

Taylor: Die Leistungsbilanzdefizite in der Peripherie wurden weitgehend abgebaut, auch Südeuropa ist kein hoffnungsloser Fall. Die allgemeine Meinung von Investoren über Europa ist zunehmend falsch. Die Sicht, dass der Kontinent nie mehr zu vernünftigem Wachstum kommt oder die Einheitswährung sogar platzen könnte, ist falsch. Daran habe ich auch nie geglaubt.

Standard: Aber Europas Aktienmärkte sind auf Sicht von drei Jahren weiter deutlich zurück, etwa im Vergleich zu den USA.

Taylor: Investoren glauben das offenbar nicht. Denn sonst hätten sich Europas Aktienmärkte nicht so viel schlechter entwickelt als jene in den USA. Selbst nach der Erholung in den Jahren 2012 und 2013 sind europäische Aktien eher billig. Die Bewertung ist ein wichtiges Argument für europäische Aktien. In Europa hat man derzeit wohl das beste Aufholpotenzial, was die Unternehmensgewinne betrifft. Gleichzeitig bewertet man die Unternehmen mit einem hohen Abschlag zur eigenen Historie, gemessen etwa am Shiller-KGV. Dazu kommt, dass die sicheren Sektoren weiterhin sehr hoch bewertet sind, während zyklischere Werte oder etwa Bankaktien noch sehr günstig bewertet sind. In Europa kann man noch Perlen, unterbewertete Firmen, finden.

Standard: Aber ist die höhere Bewertung der USA nicht auch gerechtfertigt, weil weniger Unsicherheit für die Wirtschaft besteht?

Taylor: Für einen langfristig orientierten Anleger ist es heute sicherer, in günstig bewertete Peripherietitel und andere europäische Aktien zu investieren als etwa in den USA. Überbewertete Aktien zu kaufen ist eine der riskantesten Strategien, die es gibt. Es wird in Europa immer Gegenwind geben, aber es ist immer die Frage, was schon eingepreist ist. Und unseres Erachtens ist sehr wenig eingepreist.

Standard: Viele der in Europa günstigen Unternehmen sind aber Banken. Für die gibt es ja etliche Risiken, von Regulierung bis zu faulen Krediten.

Taylor: Es kommt darauf an, ob man nach vorn oder nach hinten blicken möchte. Die regulatorischen Hürden sind nicht neu. Aber die Banken haben ein gutes Stück der Reise hinter sich. Die Eigenkapitalquoten sind höher geworden, heute gibt es Sicherheitspolster, die es vor fünf Jahren nicht gab. Ich muss als Fondsmanager nicht jede Bank kaufen, aber es gibt viele Institute, die ihr Geschäftsmodell und ihre Bilanz in Ordnung gebracht haben, und daher sind wir bei Finanzwerten übergewichtet, auch in der Peripherie Europas. Bis nach Griechenland muss man nicht gehen, aber bei einigen spanischen Banken fühlen wir uns relativ wohl. Nichts ist ohne Risiken, es steht ja etwa das Asset Quality Review der EZB bevor.

Standard: In der Krise sind in Europa viele Unternehmen insolvent geworden. Hat das den Wettbewerb geschmälert?

Taylor: Es ist eine "Survivor's Party". Der spanische Bankenmarkt ist ein gutes Beispiel. Wir sind von 40 verschiedenen Banken und Sparkassen auf 14 zusammengeschrumpft. Vielleicht kommt es noch zu einer Konsolidierung. Wenn es weniger Konkurrenz gibt, sollten die Preise in einer Branche steigen und die Fähigkeit zu einer guten Eigenkapitalrendite zu kommen.

Standard: Japan versucht seine Exportindustrie mit einer künstlich geschwächten Währung zu fördern. Eine Gefahr für Europas Exportunternehmen?

Taylor: Das ist ein Gegenwind für die USA und für Europa. Aber wenn es ein bisschen mehr Wachstum in einem großen Industrieland wie Japan gibt, ist das für die ganze Welt nicht schlecht. Es könnte vielleicht kurzfristig wehtun. Aber gerade Deutschland hat immer gut mit einer hochbewerteten Währung leben können. In dieser Beziehung sind sie wirklich Weltmeister.

Standard: Japan hatte vor mehr als 20 Jahren eine Bankenkrise und hat seitdem kaum Wachstum und stete Verluste an den Aktienmärkten gesehen. Könnte das auch Europa drohen?

Taylor: Es gibt wesentliche Unterschiede. Europa hat keinen Rückgang bei der Bevölkerung. Zweitens ist die Unternehmensqualität in Europa wesentlich, wesentlich besser. Shareholder-Value ist ein Konzept, mit dem japanische Firmen oft nichts anfangen können. Europäische Unternehmen sind auch stärker in den Weltmarkt integriert, als es das in Japan im Schnitt der Fall ist. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 31.12.2013)