Vor 20 Jahren, am 1. Jänner 1994, begann das neue Zeitalter des Freihandels. Damals trat das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) zwischen den USA, Kanada und Mexiko in Kraft, das erste, das Industrie- und Schwellenländer miteinander verbunden hat. Bald darauf gelang der Durchbruch bei den multilateralen Gatt-Verhandlungen, die zum Abschluss der Uruguay-Runde und der Gründung der WTO führten.

Seither ist es zu einer tiefgreifenden Liberalisierung des Welthandels gekommen; aber gleichzeitig hat der wachsende Widerstand gegen die Globalisierung weitere Fortschritte beim Abbau von Handelsschranken behindert. Erst die vergangenen Monate haben wieder Bewegung gebracht, vor allem das WTO-Abkommen über administrative Handelserleichterungen sowie die Verhandlungen über eine transatlantische und eine transpazifische Freihandelszone, die, wenn erfolgreich, alle Industriestaaten zu einer weitreichenden Marktöffnung verpflichten würde.

Ob es dazu kommt, ist offen, denn Freihandel bleibt eines der umstrittensten Politikfelder unserer Zeit. Auch wenn die meisten Ökonomen Anhänger des ungehinderten Austausches von Waren und Dienstleistungen über die Grenzen sind und darin die beste Chance für mehr Wachstum sehen, werden Handelsabkommen gern für alle Übel des modernen Wirtschaftslebens verantwortlich gemacht.

Das ist einerseits die Folge eines weitverbreiteten Unverständnisses für die Auswirkungen von Handel und Wettbewerb, die zwar immer bestimmte Arbeitsplätze kosten, aber auch neue und bessere bringen; andererseits das Werk jener gut vernetzten Industrien und Gruppen, die durch mehr Wettbewerb etwas zu verlieren haben.

Das lässt sich gut am Beispiel Nafta sehen. In den USA schießen sich linke und rechte Kritiker regelmäßig auf das Abkommen ein, das allerdings gerade nördlich des Rio Grande fast nur Vorteile gebracht hat. Zu den negativen Entwicklungen in der US-Wirtschaft, vor allem zu der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, haben andere Faktoren deutlich mehr beigetragen.

Gemischter fällt die Bilanz in Mexiko aus, das in den vergangenen 20 Jahren mehrere tiefe Krisen durchlebt hat. Aber in klugen Kritiken, wie in der des ehemaligen Außenministers Jorge Castañeda Gutman in einem aktuellen Beitrag in Foreign Affairs, werden die Fortschritte, die Mexikos Wirtschaft durch die Politik der Öffnung gemacht hat, anerkannt. Nafta habe vor allem dort enttäuscht, wo Integration und Liberalisierung nicht weit genug gegangen sind, schreibt Castañeda und empfiehlt die EU als Vorbild.

Auch die geplanten Freihandels- und Investitionsschutzabkommen der USA mit der EU und den pazifischen Staaten folgen zumeist dem Beispiel des EU-Binnenmarktes. Dieser wird zwar nicht immer geliebt, hat sich aber weitgehend durchgesetzt. Doch was selbst Skeptiker der Marktwirtschaft inzwischen in Europa zähneknirschend akzeptieren, lehnen sie auf der globalen Ebene mit Vehemenz ab – und erhalten für ihre Warnungen vor einer ungebremsten Herrschaft der Konzerne breite Zustimmung.

Auch wenn die Welt nicht in den Protektionismus zurückfällt, wird das Potenzial des Freihandels nur bruchstückhaft ausgeschöpft. Das ist ein Verlust für alle. (Eric Frey, DER STANDARD, 30.12.2013)