Asoka Wöhrmann: "Der chinesische Binnenmarkt ist wie ein schwarzes Loch in der Milchstraße, das magnetische Kräfte besitzt."

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In der Kaufkraft von Chinas aufstrebender Mittelschicht liegt viel Hoffnung auf gute Geschäfte.

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STANDARD: Was waren aus Ihrer Sicht heuer die prägendsten Ereignisse für Anleger?

Wöhrmann: Heuer war ein Jahr der Aktien. Die ersten vier Monate liefen bilderbuchmäßig. Die Volatilität war niedrig, der Aufwärtstrend toll - bis die US-Notenbank angekündigt hat, die Bondkäufe zurückfahren zu wollen. Das hat Volatilität erzeugt, vor allem in den Emerging Markets. Auch die Finanzrepression, die negativen Realzinsen, waren ein treibendes Thema; und dass die europäische Volkswirtschaft doch nicht so dramatisch abgestürzt ist, wie viele dachten. Europa erholt sich und ist dabei, seine Schwächen in der Leistungsbilanz und an der Peripherie auszugleichen. Das nehmen die Märkte auch wahr.

STANDARD: Welche Probleme gehen mit ins neue Jahr?

Wöhrmann: Das Thema der US-Staatsschulden wird uns weiter begleiten. Obgleich im Haushaltsstreit eine politische Lösung gefunden wurde, droht regelmäßig die Abstimmung über die Anpassung der Schuldenobergrenze. Die Abenomics sind eines der derzeit am meisten unterschätzten Themen. Man war gewohnt, dass in Japan wenig funktioniert. Jetzt geht Premier Shinzo Abe geldpolitische, fiskalpolitische und strukturelle Veränderungssäulen an. Viele Investoren waren skeptisch, ob das etwas ändert. Ich hingegen glaube, dass der Nikkei sich in absehbarer Zeit verdoppeln wird.

STANDARD: Wie wird die Goldstory weitergehen?

Wöhrmann: Das wirkliche Gold heuer waren die Aktien. Dass Gold 2013 um 40 Prozent fällt, hätte selbst ich nicht erwartet. Aber die nachlassende Nachfrage treibt die Märkte. Diese wird durch zwei Faktoren bestimmt: Die Inflation ist nicht mehr existent, und die europäische Schuldenkrise mit der Flucht aus dem Euro ist eingedämmt. Auch der chinesische und indische Goldkonsum ist leicht zurückgegangen.

STANDARD: Die Nachfrage aus Indien und China wird gerne angeführt. Eine Veränderung dort wirkt doch nicht auf den Goldpreis, oder?

Wöhrmann: Nein. Die Inflation spielt eine Rolle und die Geldpolitik der US-Notenbank Fed, das sogenannte Quantitative Easing. Die Ankündigung von Tapering (Kürzung der Bondkäufe; Anm.) hat dem Gold nicht geholfen. Wenn man den Wert des Papiergeldes anzweifelt - da gab es in den letzten zwei, drei Jahren Phasen -, stützt das den Goldpreis. Die Nachfrage spielt im Hintergrund eine Rolle, aber Investoren achten darauf nicht. Gold muss man immer in kleiner Stückelung halten. Mit Goldbarren glauben sich viele auf der sicheren Seite. Aber einen Sack Kartoffeln kann man gegen einen Barren nur tauschen, einen Restwert bekommt man nicht ausbezahlt. Die Leute erkennen die negativen Folgen der Finanzrepression noch nicht.

STANDARD: Warum ist für Sie der Moment für das Drosseln der Bondkäufe passend?

Wöhrmann: Die Situation am Arbeitsmarkt hat sich etwas entspannt, der Häusermarkt hat indes nur in Metropolen gute Aufwärtstendenzen gezeigt. Seit 2007 haben die US-Haushalte ihre Verschuldung dramatisch zurückgeführt, es wurde entspart, um Rechnungen zu bezahlen. Dieses Jahr steigen die Absatzzahlen - etwa der Autobauer - wieder an. Zum ersten Mal seit langem sehen wir konsumbedingte Ausgabenzuwächse. Das Nettovermögen der US-Haushalte hat ein Allzeithoch erreicht. Der Dow Jones war im ersten Quartal 2009 bei 7500 Punkten, heute steht er bei über 16.000 - er hat sich mehr als verdoppelt.

STANDARD: Die Amerikaner setzen derzeit stark auf Fracking ...

Wöhrmann: Es gibt einen Energievorteil für die USA. Öl aus Texas ist heute um rund acht Dollar günstiger als die Nordsee-Sorte Brent. Der Unterschied hat auch schon einmal bis zu 15 US-Dollar betragen. Erdgas ist in den USA um 80 Prozent billiger als in Asien. Das ist etwa für die chemische Industrie durchaus ein Argument, wieder zurück in ihre Heimat zu gehen. Die USA werden 2020 wahrscheinlich der größte Rohölproduzent der Welt sein. Die Unabhängigkeit vom Opec-Öl wird meines Erachtens sicher geopolitische Auswirkungen haben.

STANDARD: Was erwarten Sie?

Wöhrmann: Dieses Thema bestimmt die ganze US-Außenpolitik - was etwa der Nicht-Einmarsch in Syrien gezeigt hat. Auch bei Ägypten blieben die USA außen vor. Die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien sind belastet. In Europa muss man aufpassen, weil die geopolitische Veränderung der amerikanischen Außenpolitik Richtung Asien geht. Die USA dulden heute schon eine massive Schwäche des Yen. Auch China wird Thema werden. Dort werden bereits 60 Prozent des gesamtasiatischen BIP verdient.

STANDARD: Sich gegen China zu stellen, wäre von den USA unklug - das Land hat massiv Anleihen gekauft und die USA finanziert ...

Wöhrmann: Das ist richtig. Allerdings lassen sich die USA nicht mehr auf alle Forderungen der Chinesen ein. Man hat erkannt, dass die chinesische Vorherrschaft in Asien zu groß geworden ist. China betreibt eine enorme wirtschaftliche Expansion. Das Land darf man nicht verärgern, denn wenn die Mittelschicht vorankommt, wird China den größten Binnenmarkt der Welt haben. Der Renminbi wird aufgrund der Internationalisierungstendenzen bis 2040 die wichtigste Währung weltweit sein. Der chinesische Binnenmarkt ist wie ein schwarzes Loch in der Milchstraße, das magnetische Kräfte besitzt. Alle wollen dorthin.

STANDARD: Wie sieht es in Europa aus? Oft war zu hören, dass Frankreich unterschätzt wird, die Probleme in dem Land wachsen. Kürzlich folgte das Downgrade. Wurde das Land zu wenig beobachtet?

Wöhrmann: Wir sehen Frankreich ebenfalls kritisch. Die Strukturreformen erfordern enorme Kraft, weil Präsident Françoise Hollande die Dinge zu spät angepackt hat. Die Mittelschicht ist davon am schlimmsten betroffen. Frankreich ist enorm wichtig für Europa. Das Land liegt zwischen Deutschland und der Peripherie. Wenn das kippt, steht Deutschland alleine da. Es gibt aber fixe Käufer von französischen Staatsanleihen, etwa die Pensionsfonds. Frankreich hat also kein Problem, sich am Markt zu refinanzieren. Auch Italien muss noch einen Zahn zulegen bei der Restrukturierung und Arbeitsmarktpolitik. Mario Monti hat gut angefangen, jetzt gilt es, dort weiterzumachen. Spanien hat gut vorgearbeitet.

STANDARD: Werden die Europa-Skeptiker damit wieder weniger?

Wöhrmann: Die europäische Krise basiert auf zwei Sachverhalten. Zum einen auf der Zahlungsbilanzkrise. Das wird jetzt massiv angegangen, und da gibt es mit Irland auch erste Erfolge. Zweitens haben wir eine Institutionskrise. Es gab keine Institution, die die Probleme gemanagt hätte oder überhaupt nur die Länder überwacht hat. Auch da hat sich viel verbessert. Die Zentralbank ist die Themen gut angegangen. EZB-Präsident Mario Draghi ist der beste Risiko- und Krisenmanager. Griechenland bleibt ein Sonderfall. Spanien läuft gut, das Land sollte in zehn Jahren fantastisch dastehen. Die Bankunion bleibt Thema. Die europäische Geldpolitik wird auch 2014 ein großes Thema, samt Aufsicht der Banken. Der Asset Quality Test wird ebenfalls spannend. Die ökonomischen Umstände haben sich in Europa verbessert, die systemische Krise ist kein Thema mehr.

STANDARD: All das hat auch Investoren wieder nach Europa gelockt. Wird das Engagement halten?

Wöhrmann: Ich bin für Europa positiv gestimmt. Die Bäume werden 2014 nicht in den Himmel wachsen. Ich glaube, wir können acht bis zwölf Prozent für die Weltmärkte erwarten. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 30.12.2013)