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Wien – Einen Landeshauptmannsessel verloren, einen anderen gewonnen; einen Dämpfer bei der Abstimmung über die Wehrpflicht erlitten, diesen aber gut weggesteckt; bei der Nationalratswahl zwar 2,44 Prozentpunkte eingebüßt, aber den ersten Platz sicher verteidigt und mit Werner Faymann den Bundeskanzler gehalten. Das ist die durchwachsene Jahresbilanz der SPÖ, man könnte mit einiger Zuversicht Geburtstag feiern – man tut es aber nicht, obwohl der 125. Jahrestag des Hainfelder Parteitags durchaus Anlass bieten würde.

Erst am 11. Jänner soll es einen Festakt in Hainfeld geben – mit den Zielsetzungen "Geschichtsbewusstsein und Zukunftsvisionen, sozialdemokratische Identität und Erinnerungskultur" und einer Rede des Parteivorsitzenden.

Besinnung auf Werte

"Da ist nicht mehr viel übrig von den alten Resten der Sozialdemokratie", urteilt das linke "Urgestein" der steirischen SPÖ, Kurt Flecker. Der ehemalige Landesgeschäftsführer und langjährige Soziallandesrat hatte ganze Generationen von Bundes- und Landespolitikern mit seinen permanenten Zwischenrufen, die Partei möge sich ihrer sozialdemokratischen Werte besinnen, genervt.

Es sei ein personelles Problem, dass in der SPÖ so wenige rote Markierungen mehr sichtbar seien, sagt Flecker. "Ich glaube, es ist so ziemlich allen wurscht. Es interessiert keinen, wie es der SPÖ geht. Mit Ausnahme eines Michael Häupl in Wien oder Peter Kaiser in Kärnten, die wissen wenigstens noch, wo es langgehen müsste. Ansonsten sehe ich nur zweit- und drittklassiges Personal." Das Denken werde in der Partei nicht geschätzt, es werde keine Diskussion gesucht oder gar gewünscht.

Kunstfigur Faymann

Faymann sei lediglich "eine Kunstfigur, die ihre Sprechblasen in die Richtung lenkt, wo sie am besten ankommen". Selbst bei den Kernforderungen der Partei, etwa jener nach gerechter Verteilung, sei die SPÖ unglaubwürdig geworden. "Forderungen nach Umverteilung, das sind nur noch Muskelspiele vor Wahlen oder dem Parteitag. Der steirische SPÖ-Chef Franz Voves hat sich Papiere schreiben lassen und glauben lassen, er sei ein Linker, was sich angesichts der Politik in der Steiermark mit Pflegeregress und Kürzungen im Sozialbereich ebenfalls als unglaubwürdig herausgestellt hat."

Was der Partei in ihrer Identität am meisten geschadet habe, sei die intellektuelle Ignoranz. Flecker: "Alles, was nach Intellektualität riecht, braucht man nicht." Es gebe keine Thinktanks mehr in der SPÖ, keine Vor- und Nachdenker. Die Sektion 8 in Wien sei vielleicht noch ein Pflänzchen. Ansonsten fehle in der Partei "eine tiefe Verbundenheit mit den Werten und Idealen der Sozialdemokratie".

Andere Sorgen

Offensichtlich hat man in Teilen der Partei andere Sorgen. Beispiel Salzburg: Dort blieb nach dem Spekulationsskandal und der verheerenden Niederlage bei den Landtagswahlen im Mai buchstäblich kein Stein auf dem anderen. Mit den Rücktritten von Landeshauptfraustellvertreter David Brenner (im Jänner), von Landesparteichefin Gabi Burgstaller (im Mai) und von Landesparteigeschäftsführer Uwe Höfferer (im Oktober) ist der Partei die gesamte engere Führungsriege abhandengekommen.

Der neue Landesparteichef Walter Steidl und der politisch bisher kaum öffentlich in Erscheinung getretene neue Landesparteisekretär Felix Müller müssen als politische Masseverwalter agieren. Wobei Steidl unmittelbar nach seinem Amtsantritt ein schwerer politischer Patzer passierte: Als er im Sommer im Parteivorstand zu seinem Gehalt als Klubobmann der roten Landtagsfraktion ein Zusatzeinkommen forderte, wurde dies von Parteifreunden an die Öffentlichkeit getragen. Schließlich wurden ihm für den Parteijob zwar 2000 Euro bewilligt, Steidls Image ist aber angeschlagen.

Nicht Fuß gefasst

Inhaltlich haben die Salzburger Sozialdemokraten nach Jahrzehnten in der Landesregierung in der Opposition noch nicht wirklich Fuß gefasst. Das Budget 2014 der schwarz-grün-gelben Landesregierung tragen sie jedenfalls mit. Die Kritik fiel verhalten aus: Kürzungen im Gesundheitsbereich und bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik wolle man nicht hinnehmen, das Budget werde "mit kritischem Blick" begleitet.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer am Horizont könnten die Bürgermeister- und Gemeindevertretungswahlen am 9. März 2014 werden. In der Stadt Salzburg sind die Wiederwahl von Bürgermeister Heinz Schaden und der Platz eins für die SPÖ so gut wie sicher. Und in wichtigen Städten wie Hallein, Zell am See und Bischofshofen stehen die Chancen für die SPÖ nicht schlecht.

Dennoch weiß man, dass viel aufzuholen ist: In Salzburg und Niederösterreich ist die SPÖ auch bei der Nationalratswahl hinter der ÖVP zurückgeblieben, in der Steiermark bekam sie Platz zwei knapp hinter der FPÖ – in Oberösterreich allerdings konnte sie den ersten Platz halten.

Umbau in Oberösterreich

Innerhalb der SPÖ Oberösterreich stand in den vergangenen Monaten der große personelle Umbau an. Am 23. November dankte Josef Ackerl als Parteivorsitzender tränenreich ab und übergab an Nachfolger Reinhold Entholzer. Den freiwerdenden Sitz in der Landesregierung bekommt die bisherige SPÖ-Klubchefin Gertraud Jahn. Ihr folgt ihr bisheriger Stellvertreter, der Landtagsabgeordnete Christian Makor, nach.

Vorausgegangen sind der personellen Weichenstellung Jahre der roten Demut. Schwer lag den oberösterreichischen Genossen die bittere Niederlage bei den Landtagswahlen 2009 (von 38,3 auf 24,9 Prozent) im Magen. Ackerl übernahm damals, anstatt in Pension zu gehen, als Krisenfeuerwehr den roten "Laden". Alternativen gab es 2009 keine: Der glücklose Erich Haider erwies sich an der Spitze der Landes-SPÖ stets als konsequent beratungsresistent und duldete keinen Kronprinzen.

Was in Zeiten der Niederlage für die Partei bitter wurde. Die zweite Reihe war gefüllt mit Parteigünstlingen, die bestenfalls brav am 1. Mai mitmarschierten. Führungsqualität vermisste man. Also musste nach dem Abgang Haiders "der Joschi" seine geplante Politpension verschieben.

Geändert hat sich in Ackerls Zeit der Verlängerung zwar der politische Stil im Land, anders als bei Erich Haider funktionierte die Zusammenarbeit mit Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) deutlich besser, ausgeblieben sind jedoch weitgehend große Parteireformen. Das Ergebnis des von Ackerl als Antwort auf die Wahlniederlage eingeleiteten Reformprozesses "morgen.rot" blieb bis dato überschaubar. Auch vier Jahre und zahlreiche rote Workshops später fällt es der SPÖ sichtlich schwer, den groß angekündigten Erneuerungsprozess letztlich auch als großen Wurf zu verkaufen.

Gewerkschafter übernimmt

In neuer Hand ist aber auf jeden Fall die SPÖ-Führung im Land. Der Gewerkschafter Reinhold Entholzer galt seit längerem als rote Personalreserve. 2012 zog der 54-Jährige als Landesrat für Verkehr in die Regierung ein. Damit wurde er auch zum Favoriten für die Nachfolge Ackerls. Der Stil des neuen ersten Mannes ist ein deutlich anderer als der seines Vorgängers: nicht der große Polterer, vielmehr ruhig und pragmatisch. Und deutlich weniger einer breiten Öffentlichkeit bekannt als das rote Urgestein Josef Ackerl.

Doch auch wenn der politische Stil ein neuer ist, die Ziele sind altbekannt: Auch unter Reinhold Entholzer will man die ÖVP bei der Landtagswahl 2015 überholen. Aber noch ist der Weg ins Morgenrot ein steiniger.

Ein Vorbild könnte die Kärntner Landespartei abgeben, die heuer sowohl mit inhaltlichen Angeboten als auch großem personellem Einsatz im Wahlkampf nach 24 Jahren den Kampf um den Landeshauptmannposten gewonnen hat.

Kaiser als Landeshauptmann

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, einer der wenigen "Parteidenker" in der SPÖ, sieht seine Partei gar nicht so weit entfernt von den alten Werten und Idealen. "Die Werte haben überdauert und auch ihre Richtigkeit, aber vor 125 Jahren konnte noch nicht antizipiert werden, was es bedeutet, selbst an der Spitze des Staates in Verantwortung zu stehen. Heute geht es auch um Machterhalt." Was er durchaus kritisch sehe. Was der SPÖ dramatisch fehle, seien Antworten auf substanzielle Fragen der Zukunft. Etwa: Wie steht die SPÖ zum Grundeinkommen, ist Arbeit mehr als Lohnarbeit?

Heute werde das Denken der Partei von Fragen des Pragmatismus und Machterhaltes beherrscht. Hier herauszufinden gelinge nur über ein Festhalten an klaren sozialdemokratischen Positionen – die auch schon vor Wahlen entsprechend kommuniziert werden müssten. Jeder potenzielle Koalitionspartner müsse um die gesellschaftspolitischen Prioritäten als Conditio sine qua non der SPÖ Bescheid wissen. Die Partei könne nicht in jeder Frage alle Interessen gleich vertreten. Kaiser: "Eine Allerweltspartei ist keine Antwort."

Partei für alle "geht nicht"

An diesem Punkt knüpft Josef Muchitsch, Parlamentarier und Chef der Baugewerkschafter, an: "Wir versuchen eine Partei für alle zu sein, das geht aber nicht. Diese Öffnung nach allen Seiten ist eine Gefahr für die Partei, es wird notwendig sein, wieder deutliche Positionen zu beziehen." Und dort, bei den sozialdemokratischen Eckpfeilern, solle sie auch verharren. Dies dürfe auch bei Koalitionsverhandlungen nicht wegverhandelt werden.

Muchitsch: "Wenn die SPÖ ihre Werte bei Regierungsverhandlungen künftig nicht durchbringt, dann soll es die Partei bleibenlassen. Wenn uns die Wähler nicht genügend Stimmen geben, um unsere Positionen umzusetzen, dann gibt es halt keine SPÖ in einer Regierung. Dann wird sie auch nicht am Machtsystem mitwirken. Oder aber sie ringt sich durch und unterstützt die Einführung eines Mehrheitswahlrechts."

Öffnen müsse sich die Partei aber neuen, auch abweichenden Gedanken. "Bei uns in der Partei haben nur die Parteisoldaten eine Zukunft. Denkwerkstätten mit kritischen Geistern gibt es nicht mehr. Wer querdenkt, erntet Kritik", sagt Muchitsch.

Für den Festakt in Hainfeld hat sich die SPÖ immerhin einen Denker von außen engagiert: Der Philosoph Konrad Paul Liessmann wird Thesen zur Zukunft der Sozialdemokratie vortragen. (cs, mro, mue, neu, DER STANDARD, 30.1.2013)